Stolpe auf Usedom wehrt sich gegen Ferienwohnungen
von Claudia Schalla, NDR 1 Radio MV
Stolpe auf Usedom ist ein von Feldern, Wiesen und Wald eingerahmtes Dorf mit Kopfsteinpflasterstraße. In der Dorfmitte steht ein jahrhundertealtes Schloss, das durch ehrenamtliches Engagement vorm Verfall gerettet wurde und nun für allerlei Veranstaltungen genutzt wird. Es gibt eine kleine Bäckerei, die bereits in fünfter Generation betrieben wird. Brot und der Kuchen ziehen Menschen aus einem Umkreis von gut 20 Kilometern nach Stolpe. Bis zum Naturhafen am Stettiner Schloss ist es nur ein Kilometer.
Beitz: "Keine Geisterlandschaften"
Bürgermeister der Gemeinde ist Falko Beitz. Der 33-Jährige ist gebürtiger Stolper und hat miterlebt, wie sich sein Dorf in den vergangenen Jahren verändert hat. Die Landwirtschaft ist gewichen, dafür kam der Tourismus. Beitz weiß, dass der Tourismus wichtig ist für die Insel und viele Insulaner davon leben. Doch Investoren, die in Stolpe Ferienwohnungen und Ferienhaussiedlungen zur Kapitalanlage mit hohen Renditen bauen wollen, will der Bürgermeister einen Riegel vorschieben. "Ich will keine zeitschaltuhrbetriebenen Geisterlandschaften." Es sei an der Zeit, "eine Grenze zu ziehen", sagt er.
Zahl der Einheimischen sinkt
Denn was die Stolper seit Jahren verfolgen und vermuten, hat Beitz nun in genauen Zahlen. Die Einheimischen werden immer weniger. Rund zwölf Prozent seiner Einwohner hat der Ort in den vergangenen Jahren verloren. Doch kein Wohnhaus steht leer oder zum Verkauf. Aus Wohnhäusern sind Ferienhäuser geworden. "Auf jeden Einwohner kommt mehr als ein Ferienbett", sagt Beitz. Der Stolper Bäckermeister Christian Langhoff kennt das Problem. In seiner Backstube bekommt er häufig Anfragen von Menschen, die auf der Insel Usedom arbeiten, ob in Stolpe noch eine Wohnung frei wäre. Wohnraum gibt es aber aktuell nicht, dafür um diese Zeit jede Menge leerstehende Ferienwohnungen. Das Interesse Fremder, hier zu investieren, sei nach wie vor groß, beobachtet Jasmin Kreßmann. Ihre Eltern betreiben im Stolper Ortsteil Gummlin einen Landwirtschaftsbetrieb, den die junge Frau in einigen Jahren übernehmen will. Ob sie Grundstücke hätten oder der ganze Hof zu verkaufen wäre, solche Fragen kommen, besonders im Sommer.
Großes Interesse an Investitionen
Das Interesse an Kapitalinvestitionen auf der Insel hat zu Wohnraummangel für Einheimische und zu hohen Preisen bei Mieten und Grundstücken geführt. Auch Koserows Bürgermeister, René König, sieht die Entwicklung mit Sorge. Private Häuser würden hochpreisig an Investoren verkauft, die die Gebäude abreißen und ein neues Haus mit mehreren Ferienwohnungen bauen. Die Gemeinde habe rechtlich keine Möglichkeit, über die Nutzung zu bestimmen. Wenn die beantragten Gebäude ins Ortsbild passen, müsse der Bauantrag genehmigt werden.
Satzung soll Wohnraumproblem regeln
Stolpes Bürgermeister Beitz hat sich informiert, wie andere das Problem angehen und ist dabei auf die Nordseeinsel Helgoland gestoßen. Um zu verhindern, dass Helgoländer weiter durch den wachsenden Tourismus auf der Insel verdrängt werden, hat die Gemeinde eine Wohnraumerhaltungssatzung nach Paragraph 172 des Baugesetzbuches erlassen. Momentan überprüft das Amt Usedom Süd die Voraussetzungen einer solchen Satzung für Stolpe. Aus dem Infrastrukturministerium in Schwerin sei bereits grünes Licht für das Vorhaben gekommen, so Beitz. Noch in diesem Quartal solle die Satzung kommen.
Problem auch für andere Gemeinden
Doch Stolpe allein löst die vielfältigen Probleme der Insel nicht, die mit dem boomenden Tourismus verbunden sind, ist der Greifswalder Geograf Helmut Klüter überzeugt. Wenn Stolpe die Wohnraumerhaltungssatzung hat, drängen Investoren mit Ferienhausprojekten eben in andere Gemeinden des Usedomer Achterlands. Weitere Gemeinden müssten solch eine Satzung auf den Weg bringen, so der Wissenschaftler. Das allerdings sehen Beitz und König genauso.
