Russlandtage MV: Regierung verzichtete auf Spionage-Check
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns hat bei der Ausrichtung der sogenannten Russlandtage offenbar Bedenken der Sicherheitsbehörden in den Wind geschlagen. Trotz allgemeiner Warnungen der Verfassungsschutz-Ämter hat die federführende Staatskanzlei nach NDR-Informationen auf eine Sicherheitsüberprüfung der Teilnehmer verzichtet.
Es war das Prestige-Projekt der SPD: Die Russlandtage sollten als groß angelegtes Wirtschaftstreffen vor allem die Partnerschaft zwischen Mecklenburg-Vorpommern und der Region St.-Petersburg (Russland) befördern. Kurz nach der russischen Annexion der Krim wurde das Treffen trotz der Kritik der osteuropäischen Partner, Teilen der CDU und der Grünen Anfang Oktober 2014 erstmals veranstaltet. Schon damals spielte Russland in den Handelsbeziehungen zu Mecklenburg-Vorpommern nur eine untergeordnete Rolle.
SPD-Ministerpräsident Sellering will eigene Popularität befördern
SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering kam es offenbar eher auf die Wirkung nach innen an. Das Kalkül: Die deutsch-russische Freundschaft kommt beim Wahlvolk gut an und nützt der eigenen Popularität. Sellering nutzte das Forum beispielsweise 2016, um die EU-Sanktionen gegen Russland scharf zu kritisieren. Keine Rolle spielten bei allen vier Treffen bis 2021 offenbar Sicherheitsbedenken.
Verfassungsschützer warnten früh vor Russland
Immer wieder warnten Verfassungsschützer auch in Mecklenburg-Vorpommern vor Wirtschaftsspionage aus Russland. In dem Bericht für 2018 heißt es dazu beispielsweise: "Insbesondere die Russische Föderation, (...) ist auch weiterhin als Hauptträger nachrichtendienstlicher bzw. in diesem Kontext als sicherheitsrelevant einzustufender Aktivitäten anzusehen." Auch bei Propaganda und Desinformation sei Russland der maßgebliche Akteur, heißt es warnend in dem Bericht.
SPD-geführter Staatskanzlei fehlten konkrete Hinweise
In der SPD-geführten Staatskanzlei liefen die Warnungen offenbar ins Leere. Für die vier Russlandtage zwischen 2014 und 2021 wurde kein Spionage-Verdacht gesehen, obwohl zu den Wirtschaftstreffen in Rostock jeweils mehrere hundert Teilnehmer kamen. Sicherheitsüberprüfungen fielen aus. Es habe keinen konkreten Anlass gegeben, die Teilnehmerlisten an die Sicherheitsbehörden weiterzugeben, teilte die Staatskanzlei mit. Konkrete Warnungen oder auch Hinweise auf Spionage habe es nicht gegeben.
Kehrtwende erst nach russischem Angriff auf die Ukraine
Nach NDR-Informationen haben sich Sicherheitsbehörden allerdings informell Teilnehmerlisten beschafft. Ob eine Prüfung Hinweise auf Spionage-Aktivitäten ergeben hat, ist offen. Die Landesregierung hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis zu russischer Spionage in Mecklenburg-Vorpommern. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine Kehrtwende ihrer bisher russlandfreundlichen Politik vollzogen. Die Landesregierung hat alle Aktivitäten in Richtung Russland eingestellt. Schwesig macht jetzt das, was vorher eine untergeordnete Rolle spielte: Sie sucht die Annäherung an den EU-Partner Polen.
