Das Innenministerium in Schwerin durch die Zweige eines Baumes gesehen. © NDR

Rechtsextremisten und Reichsbürger nutzen Corona-Demos

Stand: 20.01.2022 16:47 Uhr

Innenminister Christian Pegel (SPD) hat den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 vorgestellt. Der Bericht beleuchtet neben der rechts- und linksextremistischen Szene sowie dem Islamismus im Nordosten erstmals den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Aktivitäten antidemokratischer Gruppierungen, die im Visier des Verfassungsschutzes stehen.

Dabei gehe es laut Pegel nicht um die Menschen aus der bürgerlichen Klientel, die friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung gebrauchen und "die ihren Sorgen und Nöten auch mit Kritik an der Regierung friedlich Ausdruck verleiht." Es gehe darum, Gewaltaufrufen und Angriffen gegen die Demokratie entgegenzuwirken.

Weitere Informationen

Aktueller Bericht des Verfassungsschutzes in MV

2020 gab es besonders bei Rechtsextremen Bestrebungen, die Pandemie für die eigenen Zwecke zu nutzen. extern

"Ton aggressiver und menschenverachtender"

Die Verfassungsschützer konstatieren für 2020 einen weiteren Anstieg der Anhänger rechtsextremistischer Ideologien. "Auch die Rechtsextremisten versuchen, sich die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zunutze zu machen", so Pegel. "Sie nahmen - und nehmen - an den Demonstrationen teil - und nutzen dann soziale Netzwerke und Messengerdienste, um darüber zu berichten und den Untergang des ihnen verhassten Systems zu beschwören. Sie verbreiten dort demokratiefeindliche Inhalte und mobilisieren für die eigenen Bestrebungen." Der Ton werde dabei zunehmend aggressiver und menschenverachtender.

Von den insgesamt knapp 1.800 Rechtsextremisten bei uns im Land stufen unsere Verfassungsschützer etwa 700 als gewaltorientiert ein", sagte der Innenminister.

Wutbürger treffen auf Reichsbürger

Nach Ansicht des Rostocker Politikwissenschaftlers, Professor Muno, sind die Demonstrationen zwar häufig von Rechten organisiert, die Teilnehmer aber überwiegend aus der bürgerlichen Mitte, das Bildungsniveau der Demonstranten meist hoch. Was die beiden Gruppierungen eine, sei eine Ablehnung des Staates. Aber man müsse die Anzahl der Menschen auch einordnen: "Zu Hansa gehen mehr Leute als zu den Demos im ganzen Land.

Messenger als Plattform für sehr viele unterschiedliche Menschen für unterschiedliche Zwecke

Professor Dr. Jakob Jünger von der Uni Münster ist dagegen, den Messenger-Dienst Telegram, über den sich auch radikale Gruppen verabreden und anstacheln, zu verbieten. Vielmehr sei die Kommunikation in den Chatgruppen ein Abbild der Gesellschaft. Hassnachrichten seien extreme Einzelfälle. Die Gesellschaft müsse auf problematische Haltungen und Äußerungen reagieren.

Zahl der Linksextremistischen Straftaten und Personenzahl geht zurück

Im Gegensatz zum Rechtsextremismus gingen Straftaten und Personenzahl im Linksextremismus 2020 zurück - letztere von 500 auf 480, von denen die Hälfte als gewaltbereit eingestuft wird. "Dafür dürften insbesondere die durch die Pandemie eingeschränkten Aktionsmöglichkeiten und der Ausfall von Großveranstaltungen ein wichtiger Grund sein", sagte Pegel.

Islamismus nach Rechtsterrorismus

Größte Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ist nach dem Rechtsterrorismus der Islamismus. "Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern gibt es nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur wenige bedeutsame organisierte islamistische Strukturen und so wie im Vorjahr etwa 190 Islamisten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden", sagte Pegel.

Weitere Informationen
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius spricht in einer Pressekonferenz. © picture alliance/dpa/Britta Pedersen Foto: Britta Pedersen

Innenminister Pistorius will gegen Telegram vorgehen

Er geht davon aus, dass der Messenger-Dienst eine große Rolle bei der Radikalisierung der Corona-Proteste spielt. mehr

Zahlreiche Menschen demonstrieren in der Flensburger Innenstadt gegen Corona-Maßnahmen der Regierung. © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske

Verfassungsschutz beobachtet Zulauf bei Corona-Demos in SH

Sicherheitsbehörden zählen 65 kritische Telegram-Gruppen. Sie haben Extremisten im Blick, die sich durch die Proteste ermutigt fühlen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 20.01.2022 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Rechtsextremismus

Linksextremismus

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Pragsdorf: Ein frisch angelegter Sandweg führt zu der Stelle in unmittelbarer Nähe des Sees in Pragsdorf, wo der Sechsjährige am 14.09.2023 mit schwersten Stichverletzungen gefunden wurde, an denen er später verstarb. © dpa Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck

Toter Junge in Pragsdorf: 14-Jähriger in Untersuchungshaft

Nach dem gewaltsamen Tod eines sechsjährigen Jungen in Pragsdorf bei Neubrandenburg steht ein Jugendlicher unter Tatverdacht. mehr

Die NDR MV Highlights

Bild vom Marktplatz in Güstrow © Taslair

Das Beste am Norden - Unterwegs für den Austausch in Güstrow

Live-Musik von Kamrad, Angelexperte Heinz Galling und „Bingo”-Moderator Michael Thürnau: Vom 28. bis 30. September lädt der NDR in Güstrow mit einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm zum Austausch ein. mehr