Rechnungshof moniert in MV Vetternwirtschaft in Kommunen
Zweifelhafte Geschäfte unter Verwandten? In kommunalen Betrieben ist das nicht ausgeschlossen. Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit etliche Fälle aufgedeckt und beklagt jetzt neue Beispiele.
Der Landesrechnungshof in Mecklenburg-Vorpommern beklagt erneut Vetternwirtschaft in den Kommunen. In seinem neuen Kommunal-Bericht für das Jahr 2019 listet die Prüfbehörde einige Fälle auf, in denen enge Verwandte von Bürgermeistern Geschäfte mit kommunalen Firmen machen. Schwerpunkt ist Rügen. In Altenkirchen hat der Ehemann der ehrenamtlichen Bürgermeisterin Jutta Sill (parteilos) die Ferienanlage "Rana Rike" gepachtet, die der kommunalen Wohnungsgesellschaft gehört. Seine Frau ist dort Aufsichtsratsvorsitzende. Für die zehn modernen Finnhütten auf der Halbinsel Wittow direkt am Ostseestrand zahlt ihr Mann - so der Rechnungshof - eine zu niedrige Pacht.
Bürgermeisterin Sill widerspricht
Der Gemeinde entgingen so rund 4.500 Euro im Jahr. Hochgerechnet auf die Pachtdauer mache die Kommunen einen Verlust von 110.000 Euro. Privat aber profitiere die Bürgermeisterin von dem Geschäft, moniert der Rechnungshof. Er spricht von einer "klaren Begünstigung", auch wenn die Bürgermeisterin bei der Gremienentscheidungen "ordnungsgemäß" nicht mitgewirkt habe. Auf NDR Nachfrage hat Bürgermeisterin Sill der Kritik der Prüfbehörde widersprochen. "Das stimmt so nicht, das haben wir dem Rechnungshof auch mitgeteilt." Sill meldete sich unter der Telefonnummer, die für Buchungsanfragen der Ferienanlage angegeben ist, sie wollte zu den Befunden der Prüfbehörde weiter nichts sagen. Aus dem Rechnungshofbericht ergibt sich, dass die Gemeinde vor allem die Berechnungen zu den Verlusten in Zweifel zieht.
Korruptionsverdacht in Bergen
In einem anderen Fall geht es um ein ganzes Geflecht aus möglichen Interessen-Konflikten, die laut Rechnungshof Korruptionsverdacht erwecken. Im Mittelpunkt steht die hauptamtliche Bürgermeisterin von Bergen auf Rügen, Anja Ratzke (parteilos). Ihr Ehemann ist Chef zweier Firmen, die Millionen-Geschäfte mit ihrer kommunalen Wohnungsgesellschaft machen. Gleichzeitig ist sein Vater Vorsitzender des Finanzausschusses in der Stadt. Das für den Rechnungshof verdächtige Geflecht ist noch enger: Der Bürgermeisterin-Gatte beschäftigt in einer seiner Firmen auch den Aufsichtsratschef der kommunalen Wohnungsgesellschaft, der ist gleichzeitig Stadtvertreter.
Im Gegenzug Rechnungshof in der Kritik
Der Rechnungshof kritisiert "eine Häufung von möglichen Interessen-Konflikten, die zügig aufzulösen sind." Bürgermeisterin Ratzke widerspricht. Viele Verträge zwischen der kommunalen Wohnungsgesellschaft und den Firmen ihres Mannes seien lange vor ihrer Amtszeit abgeschlossen worden. Bei den anderen Geschäften sei sie nicht beteiligt gewesen, wird Ratzke in dem Bericht wiedergegeben. Auf NDR Anfrage erklärte Ratzke zu dem Bericht: "Er ist nicht nachvollziehbar, denn es gab Situationen, in denen wir den Rechnungshof dringend gebraucht hätten, und da war er nicht da." Ratzke spielt damit auf Fehler ehemaliger Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft und ihr Finanzgebaren an.
Fehlplanungen in mehreren Seebädern
Die Beispiele von der Insel Rügen stehen aber offenbar nicht für eine weiter verbreitete Praxis. Landesrechnungshof-Präsidentin Martina Johannsen sagte mit Blick auf die Finanzberichte der vergangenen Jahre, die Interessenkonflikte in den Kommunen seien unterm Strich weniger geworden.
Johannsens Kommunal-Bericht kritisiert auch die Immobiliengeschäfte mehrere Seebäder. Vielfach werde zu teuer gekauft und zu billig verkauft. Außerdem würden die Gemeinden nicht genau untersuchen, welche Grundstücke erworben würden. Die Gemeinde Ahrenshoop habe mit dem Immobilienkauf zum Beispiel eine Altlast erworben - genauer: einen Bunker, der möglicherweise teuer gesichert werden müsse. Eine andere Kommune habe trotz roter Zahlen eine Freizeiteinrichtung gekauft, die dringend saniert werden musste. Diese Fehlplanungen müssten künftig ausgeschlossen werden.
Schwerin steckt im Minus, Rostock erwirtschaftet Plus
Unterm Strich attestiert der Bericht den Kommunen eine gute Finanzlage. Dank der Zuweisungen des Landes seien die Kreise, Städte und Gemeinden deutlich über der Wasserlinie. Eine der wenigen Ausnahmen ist ausgerechnet die Landeshauptstadt Schwerin. Die steckte auch 2019 im Minus - ganz anders als die größte Stadt im Land: Rostock erwirtschaftete ein Plus.
