Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern soll am Dienstag den 8. März als zusätzlichen gesetzlichen Feiertag in dem Bundesland beschließen. © dpa Foto: Jens Büttner

Opposition zweifelt an Schwesigs Polen-Kurs

Stand: 29.06.2022 18:27 Uhr

Am Ende war es wohl ein Eigentor: "Den demokratischen Ostseeraum weiter gemeinsam gestalten", so hatte die SPD-Fraktion die Aussprache betitelt, die sie unbedingt im Landtag führen wollte. Die Absicht war durchsichtig. Die große Regierungsfraktion lieferte Manuela Schwesig (SPD) die Kulisse, um den neuen Kurs in der eigenen Außenpolitik zu erklären.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell

Der russische Überfall auf die Ukraine hat den lange russlandfreundlichen Kurs Schwesigs vor gut vier Monaten abrupt beendet. Seitdem steuert die Landesregierung um: Schwesig setzt mit ihrer rot-roter Koalition verstärkt auf eine Kooperation im Ostseeraum - ohne Russland und die bisherige Partnerschaft im Leningrader Gebiet. Erst in der vergangenen Woche war die Regierungschefin zu Besuch in Polen, dann hat sie ein weiteres Expertengremium aus der Taufe gehoben und den Kooperationsbeirat Ostseeraum gründen lassen.

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Zu Gast im Alten Hafen von Wismar: Schiffe wie der Zweimast-Gaffelschoner "La Paloma" erinnern bis heute an die Seefahrertradition der Hansestadt. © NDR/nonfictionplanet/Florian Melzer

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MV als "echter Player in der EU-Strategie für den Ostseeraum"

Die außenpolitische Schlagzahl der Staatskanzlei ist hoch - dieser Mittwoch sollte mit der Aussprache im Landtag einen weiteren Schub bringen. Den Anfang machte SPD-Fraktionschef Julian Barlen. Er stellte die Bedeutung der Partner entlang der Ostsee-Küste heraus - ausgenommen natürlich Russland. Mecklenburg-Vorpommern sei nicht nur Zaungast der EU, sondern "echter Player bei der EU-Strategie für den Ostseeraum". Das Land engagiere sich schon lange - und zwar erfolgreich.

Schwesig überzog Redezeit deutlich

Damit war der Teppich ausgerollt für den Auftritt der Ministerpräsidentin. Trotz der Bitte der Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD), sich kurz zu fassen, überzog Schwesig ihre Redezeit. Sie präsentierte über 13 Minuten lang eine Art Leistungsbilanz der Treffen, Vorhaben und Projekte mit Polen, Skandinavien und dem Baltikum. Offenbar mussten die Ministerien zuliefern und der Staatskanzlei über vielfältige Aktivitäten berichten. Denn Schwesig - so schien es - ließ nichts aus. Sie berichtete von Partnerschaften der Polizei, erwähnte ein Treffen mit dem Marine-Inspekteur, informierte über Kooperation in Wirtschaft und Wissenschaft, sie ließ die Kultur nicht aus und vergaß auch nicht, das Schwedenfest in Wismar zu nennen.

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Polen als "stärkster Partner"

Schwesig erklärte, "Polen ist unser stärkster Partner". Sie appellierte an das Parlament, "den demokratischen Ostseeraum weiter zu stärken". Dagegen hatte keine Fraktion etwas. Allerdings ging der versammelten Opposition die Ausrichtung der Debatte gegen den Strich. CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow nannte die Aussprache ein "Feigenblatt". Die SPD wolle nur ablenken "von der besonderen Beziehungen Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland".

Grüne kritisieren: Blumige Worte reichen nicht

Schwesigs "Eifer" für Europa sei schon "sehr erstaunlich". Liskow verglich sie mit Konvertiten, auch die wollten ihre Frömmigkeit besonders unter Beweis stellen. Der Ruf Mecklenburg-Vorpommerns bei den Ostsee-Anrainern sei jedenfalls dahin und das sei schade der Wirtschaft. Auch die Grünen-Abgeordnete Anne Shepley nahm Schwesig das Bekenntnis zu den EU-Partner im Norden und Osten nicht ab. Es werde für die SPD nicht reichen, die Fehler der Vergangenheit mit blumigen Worte schönzureden.

AfD: Debatte sei "pures Schaulaufen" für die SPD-Fraktion

An die Adresse der Ministerpräsidentin sagte Shepley: "Wenn Sie es wirklich ernst meinen, mit dem Wiederbeleben längst erkalteter Beziehungen zu unseren Nachbarländern, dann müssen Sie sich jetzt bei den polnischen und baltischen Verbündeten für ihre unabgestimmte und verfehlte Neben-Außenpolitik der SPD-geführten Landesregierung glaubhaft entschuldigen." AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer warnte dagegen vor einem Komplett-Abbruch der Beziehungen zu Russland. Aber auch er nannte die Debatte ein pures Schaulaufen "für sie als SPD-Fraktion". Wie es um die Beziehungen zu Polen bestellt seien, habe doch der vergangene Besuch Schwesigs in Polen gezeigt. "Da war kein Marschall da, kein Wojewode da, weil man sich nicht mit der Ministerpräsidentin sehen lassen wollte."

Skepsis auch von der FDP: SPD veranstalte "Lobhudelei"

Als vierte Oppositionsfraktion nutze die Debatte auch die FDP für eine Abrechnung mit der SPD. Die veranstalte Lobhudelei. Das Motto der Aussprache sei falsch gewählt, die hätte unter dem Titel "verspieltes Vertrauen zurückgewinnen" laufen müssen. Schwesig müsse für eine "ehrliche Kooperation" jetzt Taten folgen lassen. Bei der Digitalisierung beispielsweise könne Mecklenburg-Vorpommern von den Nachbaren viel lernen.

Konter und Verteidigung von Dahlemann

Aussagen wie diesen brachten Schwesigs engsten Vertrauten regelrecht in Rage: Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD) konterte die Vorwürfe. Polen sei schon immer eine Art Herzensangelegenheit für die Landesregierung gewesen. Und es stimme nicht, dass die Regierungschefin in Polen nicht willkommen sei. Der polnische Vertreter des Marschall-Amtes habe sich bei dem Wirtschaftsempfang in Stettin in der vergangenen Woche "explizit lobend auf die Rede der Ministerpräsidentin bezogen".

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 29.06.2022 | 20:00 Uhr

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