Rechtes Jugendlager in Annenhof © isso.media

Neonazi-Sommerlager in der vorpommerschen Idylle

Stand: 30.07.2022 12:50 Uhr

Nahe Demmin im vorpommerschen Annenhof findet derzeit ein Camp für Jugendliche aus der rechtsextremen Szene statt. Der Staatsschutz sieht aber keinen Handlungsbedarf.

von Andrea Röpke und Matthes Klemme

Rechtes Jugendlager in Annenhof © isso.media
Rechtes Jugendlager in Annenhof

Gute zehn Kilometer nordwestlich von Demmin entfernt liegt das vorpommersche Dorf Annenhof. Mit seinen rund 70 Einwohnern gehört der abgeschiedene und beschauliche Ort zur Gemeinde Nossendorf im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Die Trebel, einst Grenze zu Mecklenburg, fließt südlich an Annenhof vorbei. Im Norden und Westen grenzt das Dorf an ein Moor. Einige Wiesen stehen dort unter Wasser - Natur pur.

Offiziell ist Annenhof erst seit knapp 90 Jahren ein Dorf. Damals, in den 1930er-Jahren, siedelten sich dort unter anderem Rheinländer, Ostpreußen und Hessen an. Vor einigen Jahren hat sich ein polizeibekannter Holocaustleugner aus der Schweiz am Rand des Ortes angesiedelt. Der Mann heißt Bernhard Schaub und ist eng vernetzt mit der Neonaziszene in Mitteleuropa. Dort, wo die Welt zu Ende zu sein scheint, kaufte er vor wenigen Jahren Haus und Land.

Altnordische Mythologie und Lagerleben

In dieser Woche übernachten etwa 30 junge Menschen in Zelten auf einer Wiese des Dorfes. Sie stammen aus zum Teil verbotenen Organisationen. Auf dem Grundstück, das Schaub gehört, flattert im Wind eine schwarze und für viele unbekannte Fahne. Auf ihr ein weißer Valknut, der sogenannte Wotansknoten, ein Symbol der nordischen Mythologie aus drei in sich verwobenen Dreiecken. Der Valknut gilt unter Neonazis auch als Ersatz-Symbol für das verbotene Hakenkreuz. Auf einer kleineren Fahne ist der "Weltenbaum" aus der nordischen Mythologie zu sehen.  

Auf der Wiese, gleich neben einem Feld mit erntereifem Getreide, haben sich die jungen Frauen und Männer versammelt. Sie tragen alle Uniform, die Mädchen alle schwarze Röcke und Zöpfe. Auf den beigen Hemden und Blusen ist ebenfalls der Valknut in schwarz-weiß-rot zu sehen - die Farben des "Reiches". Zudem ziert ein Wolfssymbol die Rückenseite der Hemden. Auf dem Grundstück stehen vier Zelte und eine große Jurte gleich neben dem Appellplatz. Manch Einheimischer wundert sich über die auffälligen schwarzen Zelte und die Uniformen. Auf dem Hof von Familie Schaub stehen Autos mit Kennzeichen aus Vorpommern, Schleswig-Holstein und der Schweiz, wo Schaub Lehrer in einer Waldorfschule war.

Einige Teilnehmer des Sommerlagers sind keine Unbekannten. Sie hatten sich bereits vor Jahren in mittlerweile verbotenen Organisationen engagiert, wie zum Beispiel in der HDJ - der Heimattreuen Deutschen Jugend. Dieser Jugendbund nach dem Vorbild der "Hitlerjugend" hatte einen Aktionsschwerpunkt im Raum Greifswald.

Lager offenbar in Tradition verbotener Organisationen

Im Sommerlager in Annenhof wird nun offenbar deren Nachwuchs "geschult und politisch gefestigt". Unter anderem besuchen Kinder des früheren HDJ-Anführers in Vorpommern, Frank K., das Lager, zum Teil bereits erwachsen. Nach dem Verbot der HDJ sind seine Kinder beim Deutschen Jugendbund Sturmvogel organisiert gewesen. In der rechtsextremen Szene ist es wichtig, den Nachwuchs in organisierten Gruppen unterzubringen. Der Sturmvogel-Deutscher Jugendbund wird vom Verfassungsschutz in Niedersachsen als rechtsextrem eingestuft, er ist eine Abspaltung der Wiking-Jugend und wurde von einer NPD-Funktionärin mitgegründet. Auch der ehemalige Waldorflehrer Schaub hatte seine Kinder mehrfach in Lager des Sturmvogel geschickt. Unter anderem 2015 ins brandenburgische Grabow, wo er auch selbst auftrat. Schaub nahm 2006 an der internationalen Holocaust-Leugner-Konferenz in Teheran teil und galt als Kopf der paramilitärischen "Europäischen Aktion".

Keine Ermittlungen der Polizei

Rechtsextremismus-Experten ist der Jugendbund mit Wolf und Wotansknoten bislang unbekannt. Deshalb lässt sich derzeit nicht klären, um welche Vereinigung es sich bei dem Sommerlager in Annenhof handelt. Am Freitag haben Polizei und Jugendamt des Kreises Mecklenburgische Seenplatte das Grundstück von Holocaustleugner Bernhard Schaub kontrolliert. Nach Angaben eines Polizei-Sprechers in Neubrandenburg habe sich vor Ort nicht bestätigt, dass es sich bei dem Jugendcamp um ein rechtsextremes Sommerlager handelt. Es seien keine rechtsextremen Tendenzen sowie keine Jugendgefährdung festgestellt worden. Somit gebe es für den Staatsschutz keine weiteren Ermittlungsansätze, hieß es.

Pegel: Strategie, freiheitlich-demokratische Grundordnung zu unterwandern

Für Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) sind solche Camps Teil der Strategie, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu unterwandern. Sie seien daher gefährlich. Der Rechtsstaat müsse es allerdings aushalten, nur bei Straftaten oder Gefahren gegen solche Camps vorzugehen, teilte Pegel in einer Stellungsnahme gegenüber dem NDR mit..

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 30.07.2022 | 12:00 Uhr

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Rechtsextremismus

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