Das Kreuzfahrtschiff "Global 1" ist zu rund 80 Prozent fertiggestellt © NDR Foto: NDR

MV-Werften: Kein Käufer für Kreuzfahrtschiff "Global Dream"

Stand: 23.05.2022 14:34 Uhr

Das riesige Kreuzfahrtschiff "Global Dream" der insolventen MV-Werften kann wohl doch nicht verkauft werden. Laut Insolvenzverwalter Christoph Morgen ist der letzte Interessent überraschend abgesprungen. Nun könnte ein malaysischer Milliardär zum Zuge kommen.

Wie Insolvenzverwalter Morgen am Vormittag auf einer Mitarbeiterversammlung in Wismar erklärte, sei man sich mit Stena AB, der Mutter der Fährreederei Stena Line, schon fast einig gewesen, auch ein Finanzierungsplan sei weit fortgeschritten gewesen, aber dann sei Stena das Geschäftsmodell weggebrochen. Die Reederei wollte laut Morgen mit der "Global Dream" in Asien Kreuzfahrten anbieten. Aber unter anderem wegen der No-Covid-Politik Chinas sei es ungewiss, wann dort überhaupt wieder Kreuzfahrten möglich sind.

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Ein alter Bekannter in Wismar mischt wieder im asiatischen Kreuzfahrtmarkt mit

"Der konkrete Auslöser, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat und letztendlich zur Absage geführt hat: Unser Interessent hat immer gesagt, man wolle eine Reederei in Asien kaufen bestehend aus Dream Cruises und drei Schiffen", sagte Morgen bei NDR MV Live. Eines der Schiffe sei kürzlich von einer anderen Reederei gechartert worden. Der Besitzer dieser Reederei ist ein alter Bekannter in Wismar: der malaysische Milliardär Tan Sry Lim Kok Thay, der ehemalige Inhaber der MV-Werften. Laut Morgen habe dadurch eines der drei Schiffe schon mal nicht mehr zur Verfügung gestanden, zudem sei unvorhergesehen neue Konkurrenz am asiatischen Markt entstanden. "Und weniger Schiffe plus Konkurrenzsituation führten dann dazu, dass der Aufsichtsrat unseres Interessenten am Donnerstag beschlossen hat, das Projekt abzusagen, am Freitag die Bundesregierung informiert hat und am Sonnabend auch mich und alle anderen Beteiligten", so Morgen weiter.

Kauft früherer Werften-Eigner das Schiff günstiger?

Morgen bedauerte die Entwicklung, man habe bereits "in ganz fortgeschrittenen Gesprächen mit Bund, Land, Bauzeitfinanzierern" gestanden. "Ich bin mir sehr sicher, wir hätten mit der Unterstützung der Bundesregierung und der Landesregierung die Bauzeitfinanzierung - immerhin rund eine dreiviertel Milliarde Euro Kredit, den wir dort beantragt hatten - auch bekommen", so Morgen weiter. Wie es jetzt mit dem Schiff weitergeht, sei eine "schwierige Frage". Es gebe nach wie vor zwei Interessenten. Diese wollen das zu rund 80 Prozent fertiggestellte, mehr als 340 Meter lange Schiff aber woanders zu Ende bauen. "Einer davon ist Tan Sry Lim Kok Thay." Morgen sieht gute Chancen, dass sich der Milliardär wieder in Wismar melden werde, um das Schiff zu einem günstigeren Preis zu erwerben.

Rückschlag für Mitarbeiter in Transfergesellschaft

Für die Mitarbeiter ist die Stena-Absage ein Rückschlag. 1.500 Schiffbauer stecken noch in der Transfergesellschaft, sie hoffen auf eine Verlängerung. Eigentlich wollte der Finanzausschuss des Landtags darüber am Mittwoch entscheiden. Die rund 1.500 Mitarbeiter verdienen seit drei Monaten nur 80 Prozent ihres eigentlichen Einkommens. Insolvenzverwalter, Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), Wismars Oberbürgermeister Thomas Beyer (SPD), IG Metall und Betriebsrat wollen dennoch auf eine verlängerte Transfergesellschaft hinarbeiten.

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Laut Meyer ist nun aber die geplante Verlängerung der Transfergesellschaft weiter ungewiss, sie läuft Ende Juni aus. Meyer machte klar, dass er mehr Unterstützung des Bundes erwartet. Auch der Bund brauche Fachkräfte: "Ich gehe davon aus, dass wir dann auch gemeinsam in Gesprächen darüber reden, was das für eine Verlängerung der Transfergesellschaft bedeutet."

Weniger Geld für Zulieferer und andere Gläubiger?

Dass der Insolvenzverwalter auf dem Schiff sitzen bleiben könnte, dürfte sich auch für die Gläubiger - und insbesondere am Bau beteiligte Zuliefererfirmen - auswirken. Bei einer Gläubigerversammlung vor rund zwei Wochen hatte Morgen gesagt, dass die an die Gläubiger verteilbare Konkursmasse in "erheblichen Umfang" davon abhänge, ob es gelingt, das Kreuzfahrtschiff zu Ende zu bauen und zu verkaufen.

Enttäuschte Mitarbeiter

In Wismar ist die Kieler Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) daran interessiert, Teile des Standorts zu übernehmen. Aber zu neuer Beschäftigung werde das wohl frühestens in zwei Jahren führen, meinen Beobachter. Immerhin: Je nach Auftragslage könnten damit Arbeitsplätze für 900 bis 1.500 Mitarbeiter gesichert werden. In Rostock ist weiterhin der Bund für die Marine interessiert und will auch die Mitarbeiter übernehmen. Laut Morgen stehe man mit beiden Interessenten "in finalen Gesprächen". Der Insolvenzverwalter ist sich sicher: "Es wird eine Zukunft für den Schiffbau in Wismar geben."

Viele der Mitarbeiter in Wismar reagierten enttäuscht, dass es am Standort vor 2024 wohl keine neue Arbeit geben wird. Solange in einer Transfergesellschaft zu bleiben, kann sich kaum einer vorstellen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 23.05.2022 | 12:00 Uhr

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