MV-Werften-Insolvenz: Schwesig kritisiert Gentings Verhalten als "unverständlich"
Die MV-Werften sind zahlungsunfähig. Am Montagmittag hat die Geschäftsführung beim Amtsgericht Schwerin den Insolvenzantrag eingereicht. Bund und Land sowie Gewerkschaften reagierten mit Unverständnis und Bestürzung. Der Frust auf den Werften ist groß.
"Wir bedauern sehr, dass sich Genting entschlossen hat, Insolvenz anzumelden", sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), als sie am Montagabend vor die Presse trat. "Mein Mitgefühl gilt den Beschäftigten und den Familien," betonte die Ministerpräsidentin. Man wolle als Landesregierung weiterhin "alles dafür tun, um den Beschäftigten zu helfen". Dafür hätte jedoch der Eigentümer der Werft einen substanziellen Beitrag leisten müssen. Genting hatte dies auch zugesichert, aber stattdessen nun Insolvenz beantragt. Das sei für sie "unverständlich", so Schwesig.
Schwesig: Ursache der Insolvenz liegt in der Corona-Pandemie
Die Ursache für die Insolvenz liege in der Corona-Pandemie, so Schwesig. Land und Bund hätten in der Krise die Werften unterstützt, damit Schiffe, wie zum Beispiel die Chrystal Endeavor weiter gebaut werden konnten. Sie sei davon überzeugt, "dass Kreuzfahrttourismus eine Zukunft" hat. Noch in dieser Woche will die Landesregierung eine Sondersitzung des Landtages beantragen. Ziel sei es, als Landesregierung zusammen mit Insolvenzverwaltern mit den Beschäftigten an den Standorten sprechen.
Zukunftsperspektive Erneuerbare Energien?
Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) nannte die Insolvenz der MV-Werften einen "herben Rückschlag für den industriellen Kern" des Landes. Wichtig sei nun, gemeinsam mit den Insolvenzverwaltern zu schauen, ob die "Global 1" weitergbaut werden kann. Für die Beschäftigten in den Transfergesellschaften und darüber hinaus stellte Meyer kurzfristige Hilfe in Form des Insolvenz-Ausfallgeldes der Arbeitsagentur in Aussicht, langfristig müssten nun Perspektiven für Mecklenburg-Vopommern als maritimen Wirtschaftsstandort sondiert werden. "Ich weiß, dass die Kraft der Beschäftigen und Unternehmen in der maritimen Wirtschaft dazu geeignet ist, den Strukturwandel weiter nach vorn zu führen." Man werde sich verstärkt mit dem Thema Erneuerbare Energien, dem Offshore-Plattformbau und anderen maritimen Dienstleistungen und Produktionen widmen müssen, um Zukunftsperspektiven für Wismar, Stralsund und Rostock zu schaffen.
Habeck: "Bittere Nachricht" für die Region
Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Die Grünen) fand zuvor deutlichere Worte und gab dem Eigentümer der MV-Werften die Schuld an der Insolvenz. Als Bundesregierung habe man alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Insolvenz abzuwenden und die Arbeitsplätze zu retten. "Allerdings haben die Eigentümer unser Hilfsangebot ausgeschlagen; die Anmeldung der Insolvenz ist die Folge" - eine "bittere Nachricht" für die Beschäftigten und die Region, so Habeck. Er kündigte an, in den kommenden Wochen in engem Austausch mit der Landesregierung zu bleiben.
Claudia Müller: "Zwischen Land und Bund passt kein Blatt Papier."
Gescheitert ist die Einigung aufgrund von Finanzschwierigkeiten des Mutterkonzerns Genting Hongkong. Sowohl mit Genting als auch mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sei man in ständigem Kontakt gewesen. Es gebe klare Regeln für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der besagt, dass der Eigentümer sich mit 20 Prozent beteiligen muss, so Claudia Müller (Die Grünen), Koordinatorin für maritime Wirtschaft des Bundes in einem Statement aus Berlin. Der Bund sei nach wie vor bereit, 600 Millionen Euro zu geben, so Müller. An Genting habe man nur eine Mindestforderung von zehn Prozent gestellt. Das entspricht demnach einer Eigenbeteiligung von Genting in Höhe von 60 Millionen Euro. Aber auch "an dieser Stelle gab es zwischen Genting und dem Bund kein Zusammenkommen". Zwischen Land und Bund, betonte Müller mehrfach, passe "in dieser Frage kein Blatt Papier".
Die Zeichen stehen auf "Offshore"
Man sei gemeinsam bestrebt, eine "positive Perspektive für die Werftenindustrie in Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern zu geben". Wichtig sei nun, das Know-how im Land zu halten, um Abwanderung von Fachkräften zu verhindern, Modernisierungsmaßnahmen zu entwickeln und Kompetenzen zu bündeln. Möglich sei eine Weiterentwicklung in Richtung "Offshore". Auch Guido Fröschke von der IG Metall Stralsund und Neubrandenburg sprach sich dafür aus. Fröschke betonte, man müsse nun "alles daran setzen, die Standorte weiter in Richtung Offshore" zu entwickeln. Müller, die selbst aus Mecklenburg-Vorpomemrn stammt, sieht eine Perspektve für den Werftenstandort und die maritime Industrie im Nordosten. Dazu gehöre neben den Werften auch eine große Zuliefererindustrie.
IG Metall Küste: "Schwarzer Tag für den Schiffbau in Deutschland"
Die IG Metall Küste sprach von einem "schwarzen Tag" für den Schiffbau in Deutschland. "Wir sind entsetzt, dass es soweit kommen musste. Dass die Verhandlungen zu keiner Lösung geführt haben, ist ernüchternd. Das Vertrauen auf allen Seiten scheint endgültig aufgebraucht", teilte Bezirksleiter Daniel Friedrich am Montagnachmittag mit. Nun müsse es um eine Perspektive für Beschäftigte und Standorte in Bremerhaven und Mecklenburg-Vorpommern gehen. "Wir brauchen jetzt starke Insolvenzverwalter, die mit Unterstützung von IG Metall, Betriebsräten und Politik auf einen Erhalt von Arbeitsplätzen und Werften setzen." Zunächst gelte es, den Beschäftigten möglichst schnell die ausstehenden Löhne und Gehälter zu organisieren.
IG Metall Küste pocht auf Schiffs-Weiterbau
Auch in der Insolvenz müsse es möglich sein, das Kreuzfahrtschiff "Global 1" auf der Werft in Wismar fertigzustellen. "Ein Weiterbau sichert Arbeit für hunderte Beschäftigte und steigert den Wert bei einem Verkauf", so Friedrich. Außerdem müssten nun neue Investoren gewonnen werden. In Bremerhaven und Stralsund habe es bereits vor der Insolvenz Interessenten gegeben. Die IG Metall sieht weiterhin die Bundes- und Landespolitik am Zug, um den Beschäftigten die Standorte zu erhalten.
Betriebsrat: "Wir hoffen, dass wir morgen mehr wissen"
Ines Scheel, Betriebsrätin bei den MV-Werften fand drastische Worte: "Mir geht es scheiße". So sei das im Schiffbau, man rede Klartext. Für sie persönlich ist es bereits die zweite Insolvenz bei den Werften. "Wir sind natürlich frustriert, dass es nicht doch noch zu einer gemeinsamen Lösung gekommen ist". Frust herrsche auch unter den Mitarbeitern vor, man habe bis zum letzten Tag gekämpft und gebaut. Die Hoffnungen richten sich nun auf eine schnelle Lösung für die Dezembergehälter und die Möglichkeit, das Schiff weiterbauen zu können. Nun müsse zunächst ein Insolvenzverwalter bestellt werden. "Ich hoffe, dass wir das dann alle gemeinsam mitgestalten können." Die Mitarbeiter sind laut Scheel darauf eingestellt, am Dienstag normal zur Arbeit zu kommen. Ob dann allerdings weiter gearbeitet wird, diese Frage konnte Scheel noch nicht beantworten. "Wir hoffen, dass wir morgen mehr wissen".
FDP: Know-how, um Energiewende voranzutreiben
Die FDP-Bundestagsfraktion sieht die Zukunft der drei Werften-Standorte im Bereich der erneuerbaren Energien. "Das Potential ist da. Die Standorte haben das Know-how, die Energiewende mit voranzutreiben", sagte der Fraktionssprecher für die maritime Wirtschaft, Hagen Reinhold, am Montag in Berlin. Dazu gehöre die Off-Shore-Windtechnologie. Die nötigten Konverterplattformen böten eine große wirtschaftliche Chance. Auch Dienstleistungen wie die Wartung der Anlagen würden für die maritime Industrie immer wichtiger.
AfD: "Staatliche Insolvenzverschleppung"
Die AfD als größte Oppositionsfraktion im Landtag in Schwerin hat der Landesregierung im Fall der MV Werften "staatliche Insolvenzverschleppung" vorgeworfen. Es sei Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei ihren immer neuen Rettungsversuchen nur noch darum gegangen, die Pleite der Werften über die Landtagswahl hinauszuzögern, erklärte der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer, am Montag. Ihn überrasche der Insolvenzantrag nicht. "Jedem vernünftigen Beobachter war klar, dass Gentings Kreuzfahrtgeschäft spätestens mit der Corona-Pandemie auf absehbare Zeit keine Zukunft hat", so Kramer. Die AfD habe immer wieder davor gewarnt, weitere finanzielle Zusagen zu machen.
Auch die Grünen sehen in dem Insolvenzantrag den Beleg "für ein kollektives Scheitern in der Werftenpolitik des Landes" der vergangenen Jahre, wie der Fraktionsvorsitzende Harald Terpe erklärte. Er forderte zunächst die Fertigstellung des Riesen-Kreuzfahrtschiffes "Global 1" in Wismar. Künftig müssten die Geschäftsfelder breiter aufgestellt werden und die Konzepte ökologisch und sozial fortschrittlich sein.
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