Hannah Anderssohn: Ruhe vor dem Sturm
Zur Warnemünder Woche startete die 23-jährige Hannah Anderssohn beim Europacup der ILCA 6 (ehemals Laser Radial). Ihr großer Traum: die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Frankreich.
Hannah Andersson würde gerne aufs Wasser, aber es fehlen noch ihr Trainer, ihr Boot und der Wind. Am Donnerstagnachmittag kurz vor Beginn der Warnemünder Woche steht die 23-jährige Segelsportlerin, braungebrannt mit Sonnenbrille und im Shirt des German Sailing Teams im Warnemünder Segel-Club und blickt auf schlaff hängende Fahnen. "Heute ist fast gar kein Wind. Noch weniger war nur in Kiel bei der Kieler Woche und da mussten wir auch Regatta segeln." Sagt sie und zuckt grinsend mit den Schultern.
Wind und Welle satt
Wenig Wind mag Hannah nicht. Manchmal wartet sie stundenlang bei einer Regatta auf dem Wasser. Ab fünf Knoten dürfen sie Regatten segeln. "Da ist dann trotzdem so gut wie kein Wind. Aber du musst nach der ganzen Warterei voll da sein, hoch konzentriert, weil sich alles so langsam bewegt." Sie ist mit ihrem Boot lieber am Limit, wie sie sagt. In Warnemünde, ihrem Heimatrevier, liebt sie die Nordwest-Welle, die sich bei viel Wind bildet und die man mit dem Boot sogar runtersurfen kann. Jeder Fehler kann dann zwar schnell damit enden, dass das Boot kentert. Aber es macht jede Menge Spaß, Körper und Material an seine Grenzen zu bringen, sagt sie.
Grenzerfahrungen
Das Leben als Spitzensportlerin ist ein Leben an Grenzen. Hannah ist in Neustrelitz und Röbel an der Müritz in einer Seglerfamilie aufgewachsen. Mit 15 Jahren ging sie aufs Sportinternat am Olympiastützpunkt Schilksee in Kiel. Ein Jahr darauf wird sie erstmals Europameisterin und mit 17 dann Jugend-Weltmeisterin. Es folgt eine lange Verletzungspause. Knie, Hüfte, der Körper setzt seine eigenen Grenzen. Nun kehrt sie zurück. Ihr großes Ziel sind die Olympischen Spiele kommendes Jahr in Frankreich.
Ihre Bootsklasse fand Hannah früh. Direkt nach dem Optimisten, auf dem jedes Kind in der Regel das Segeln erlernt, wechselte sie in den Laser Radial, der heute ILCA 6 heißt. "Das wird einem manchmal auch einfach vorgegeben durch die eigene Körpergröße. Ich war damals schon sehr groß und bin noch weiter gewachsen. Und außerdem segele ich gerne alleine."
Leistungssport und wenig Zeit
Der ILCA 6 gilt als einfaches, sportliches Boot, das sehr physisch gesegelt werden muss. Es gibt im Vergleich zu anderen Bootsklassen weniger Möglichkeiten, das Segel zu trimmen. Der ILCA 6 ist ein GFK Boot, rund 4 Meter lang und 1,30 Meter breit. 5 Quadratmeter Segelfläche treiben das Boot im Wind voran. Hannah fährt internationale Rennen auf hohem Niveau. Jahrelange Erfahrung, Leidenschaft und Können sind da Voraussetzung für den Regattasieg.
Hannah Anderssohn ist die meiste Zeit unterwegs. Von Trainingslager zu Trainingslager von Regatta zu Regatta. Was gleich bleibt, ist der harte Trainingsalltag. Ein Wechsel von Fitness, mentalen und praktischen Trainingseinheiten auf dem Wasser. Dazu kommen Taktik und Strategiegespräche mit ihrem niederländischen Trainer Maurice Paardenkooper. Seit ihrer Grundausbildung, die sie im letzten Jahr abgeschlossen hat, ist Hannah Anderssohn Sportsoldatin. Sie studiert in Rostock Maschinenbau. Ein Studium, das sie begeistert, wie sie sagt. Nur: Zum Studieren kommt sie derzeit nicht.
Der Sieg kommt mit dem Wind
Wenn noch zu Beginn der Wettfahrtserie vor Warnemünde der Wind fehlte, gab es dann zu viel davon. Fünf bis sieben Windstärken - noch mehr und die Rennen hätten aus Sicherheitsgründen abgesagt werden müssen. Doch Hannah spielt das in die Hände. Je mehr es aus West bläst, um so besser kommt ihr Boot "Gesine" in Schwung. Der Boots-Name ist ein Dankeschön an die Frau, die einen großen Teil zum Kauf der Jolle gespendet hat. Hannah treibt ihre "Gesine" bei den letzten Wettfahrten bis ans Limit, die Nordwestwelle läuft und am Ende kann sie den ersten Platz im internationalen Starterfeld bei der diesjährigen Warnemünder Woche behaupten. Ein wichtiger Erfolg auf dem Weg zur Olympiateilnahme.
