Dietmar Bartsch (Linke): "Klimawandel ist Herausforderung für Gerechtigkeit"
Dietmar Bartsch ist einer von zwei Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Der gebürtige Stralsunder gilt politisch als "gemäßigter" Vertreter der Linken. Er will das Land verändern, bleibt aber Realist dabei.
Ein warmer, sonniger Tag in Rostock. Ein perfekter Urlaubstag. Wäre da nicht der Wahlkampf. Und so ist die freie Zeit für Dietmar Bartsch (Die Linke) doch eher begrenzt. Gerade kommt er ein paar Minuten zu spät in einem großen Rostocker Tagungshotel an. Er soll hier auf einem Kongress der Windenergiebranche einen Vortrag halten. Eigentlich wollte er "jemanden schicken, der sich damit auskennt", aber diese Gelegenheit lässt sich Bartsch dann doch nicht entgehen. Viele der Zuhörenden schauen den Redner aber recht skeptisch an, waren Bartsch und die Linkspartei in den vergangenen Jahren doch nicht gerade durch Klimapolitik aufgefallen. Aber Bartsch geht es offensiv an: "Der Klimawandel ist objektiv und eine Linke muss sich dem stellen. Das ist eine zentrale Herausforderung für Gerechtigkeit. Und für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist natürlich die Energiewende eine Chance." Aber nur marktwirtschaftliche Mechanismen funktionierten nicht, sagt Bartsch. Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für Windräder vor ihrer Haustür sei nur zu erreichen, indem sie an den Gewinnen beteiligt würden. "Das Entscheidende ist wirklich, dass es ein anderes Maß an Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gibt. Dass es nicht über Lobbyismus läuft, sondern Beteiligungsprozesse sind sehr wichtig und zweitens, dass wir insbesondere genossenschaftliche Formen stärken wollen."
Vorpommer und Linker durch und durch
Dietmar Bartsch ist 1958 in Stralsund geboren. Aufgewachsen in Tribsees, Abitur in Franzburg, dann Grundwehrdienst bei den Fallschirmjägern der Nationalen Volksarmee der DDR. 1977 wurde er Mitglied der SED. Studiert hat er Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst. Später promovierte er an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Moskau. Er war Geschäftsführer der "Jungen Welt" und später auch der Tageszeitung "Neues Deutschland". Und auch wenn Bartsch zwischendurch als Unternehmensberater im wiedervereinigten Deutschland gearbeitet hat, ist er seinen politischen Zielen immer treu geblieben. Die "schreiende soziale Ungerechtigkeit", die gelte es schnell zu überwinden. Aber er gilt politisch als "gemäßigter" Vertreter der Linkspartei. Er will das Land verändern, bleibt aber Realist dabei: "Eine Gesellschaft, die frei von Ausbeutung ist, wo alle sozial gerecht und ökologisch und friedlich leben - ist eine Vision. Das ist weder in dieser noch in der nächsten Legislatur möglich." Aber man müsse trotzdem daran festhalten - schon für die eigenen Enkel.
Parteien sind schwer unterscheidbar
Was die Bundestagswahlen am 26. September betrifft, ist Bartsch gespannt, wie die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern ausfallen werden. Angela Merkel tritt nicht mehr an und auch Eckhardt Rehberg nicht. Auch deshalb ist für ihn der sonst übliche CDU-Durchmarsch "nicht ausgemacht". Vor allem stört ihn, dass die Parteien immer weniger voneinander zu unterscheiden sind. Seiner Meinung nach liegt das auch daran, dass es immer weniger um die wichtigen Sachthemen geht: "Wir haben aktuell eine Situation, dass eher über Plagiate und ähnliche Sachen geredet wird und weniger über die zentralen Inhalte. Ob das der Klimawandel ist, ob das die Frage nach den Pandemien ist, das sind die Themen, über die geredet werden muss."
Begegnungen mit Menschen
Seit 1977 macht Bartsch Politik. SED, PDS, Linke - inzwischen an der Spitze - er ist einer von zwei Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. Während er zu Fuß durch den Rostocker Stadthafen zum zweiten politischen Termin an seinem Urlaubstag eilt, sprechen ihn immer wieder Menschen an und er reagiert immer freundlich. "Da hatte ich in Sachsen-Anhalt ein schönes Erlebnis in dem schönen Städtchen Schönebeck: Und bin da in so ein Café gegangen für drei Eis holen. Und das Witzige war: Die Leute, die da saßen, kriegten sich alle das Streiten. 'Kann dat der Bartsch sein oder nicht?' - 'Ach völlig ausgeschlossen. Der steht doch nicht hier am Freitag in Schönebeck im Eisladen. Und dann allein ohne Bewachung. Vergiss es.' Als ich dann fertig war, hatten sie Wetten abgeschlossen und ich hab' es aufgelöst. Das war witzig." Aber manchmal sei es auch zu viel. Gerade jetzt im Sommer. Bartsch lebt in Prerow, also in einem touristischen Hotspot. Darum verbringe er seinen Urlaub am liebsten im Winter im Warmen: "Wo einen keiner kennt. Wo keine Deutschen sind. Das ist cool."
YouTube statt Mittagessen
Am Rostocker Stadthafen warten sieben junge Leute auf Dietmar Bartsch. Ein großes Kamerateam. Sie wollen gleich für den Youtube-Kanal der Linksfraktion im Bundestag einen Livestream machen. Es geht um Tourismus in MV und gute Löhne. Vorher soll Bartsch noch irgendetwas sagen, damit der Ton gut wird: "Die Sonne scheint, der Himmel lacht, das hat die Linkspartei gemacht." Die Umstehenden lachen. Aber Bartsch schaltet sofort wieder auf Ernsthaftigkeit um und spricht über die Löhne im Tourismus, die seiner Meinung nach zu niedrig sind, über Wohnraummangel in den touristischen Regionen, wo sich das Personal keine Wohnung mehr leisten könne, was man schnell ändern müsse und über die Bildung, von der er beklagt, dass es keine Chancengleichheit gebe, dass man mehr Lehrer und Lehrerinnen brauche und für die Kinder ein kostenloses Mittagessen.
Er selbst hatte an diesem Tag kein Mittagessen. Einfach keine Zeit. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Dietmar Bartsch wird nun wieder nach Hause nach Prerow fahren. Ein Urlaubsabend steht an. Am nächsten Tag hat er wieder drei Termine. Denn es ist Wahlkampf - ob man da nun Urlaub hat oder nicht.
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