Der verlorene Sohn - eine lebenslange Suche
Herta Wiersma will nicht eher sterben, bis sie ihrem Sohn erzählt hat, warum sie ihn 1948 in Medow bei Anklam zurück gelassen hat. Gemeinsam mit einem NDR-Team aus MV startet sie Suchaufrufe im NDR-Fernsehen, im Radio und Internet.
Herta Wiersma wächst Ende der 1930er Jahre in einem Kinderheim in Stettin auf. Sie und ihre drei Geschwister sind hierher eingewiesen worden. Ihr Vater, ein Linker, war von den Nazis ins KZ gesperrt worden, ihre Mutter wurde bei einem Bauern in Medow bei Anklam zur Arbeit zwangsverpflichtet. Als 14-Jährige wird auch Herta zur Arbeit verpflichtet. In Hohenschönau bei Naugard lernt sie den polnischen Zwangsarbeiter Henri kennen, der in Warschau von den Nazis verhaftet worden war. Die beiden verlieben sich und Herta wird als 19-Jährige schwanger - der sichere Tod für das Paar und ihr Kind. Nach der Geburt geben sie es in ein Kinderheim.
Vertreibung, Misshandlung und Flucht
Mit dem Kriegsende wollen Herta und Henri nach Warschau ziehen, doch die Deutsche darf nicht in Polen bleiben. Von sowjetischen Soldaten schwer misshandelt gelangt sie sechs Monate nach Kriegsende, von Vergewaltigungen traumatisiert, zurück zu ihrer Mutter nach Medow. In einem Kinderheim auf der Insel Rügen macht sie sogar ihren Sohn Heinz-Dieter ausfindig. Doch das Glück im Unglück bleibt ihr nicht lange treu. Ihre Mutter erkrankt an Krebs. Quasi an deren Totenbett muss sie versprechen, sich vorrangig um ihre drei Geschwister zu kümmern, erst danach um ihren eigenen Sohn.
Die Versorgungslage ist katastrophal
1947 verlässt sie mit ihren Geschwistern Vorpommern gen Westen, um sich bei Köln niederzulassen. Ihren Sohn will sie nachholen, wenn sie dort Fuß gefasst hat. Heinz-Dieter bleibt bei Pflegeeltern, deren Spur sie 1947 verliert. Zurück bleibt als einzige Erinnerung ein Passfoto des kleinen Heinz, das sie per anonymer Amtspost aus dem Osten erreicht. Bis 2005 sucht sie in sämtlichen Archiven und Institutionen nach ihrem Kind, das mittlerweile über 60 Jahre alt sein musste.
Herta wendet sich an den NDR in MV
Als letzte Chance wendete sie sich 2007 an den NDR in Mecklenburg-Vorpommern. Doch auch nach der Veröffentlichung gibt es zunächst keine brauchbare Spur. Bis Pfingsten 2010: Es meldet sich ein Heinz-Dieter Nehls aus der Nähe von Schwerin, durch Zufall hat er im Internet die Suchaufrufe gelesen. Er zeigte ein kleine Passfoto vor, das sonst nur noch seine leibliche Mutter besitzen kann.
"Heute kommt mein Sohn"
Am 19. Juni 2010 in einem Altenpflegeheim in Engelskirchen: Herta Wiersma sitzt in der Cafeteria, es hat sich Besuch angemeldet. "Heute kommt mein Sohn," erzählt sie jedem. Bei ihrem Wiedersehen nach 63 Jahren darf der NDR dabei sein - für den letzten Film über die Mutter, die ihren verlorenen Sohn sucht.