Das Misstrauen wächst: Bericht des Ostbeauftragten

Stand: 29.09.2022 10:08 Uhr

Die Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland kommt kaum noch voran. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht des Ostbeauftragten, Carsten Schneider, hervor.

Der Jahresbericht hat eine Umfrage unter 4.000 Menschen in Ost und West ausgewertet - und sie zeigt ein wachsendes Misstrauen in die Politik. Schneider sprach von teils erschreckenden Zahlen. Nur noch 39 Prozent der befragten Ostdeutschen sagten, sie seien zufrieden mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland funktioniert - vor zwei Jahren lag die Zahl noch neun Punkte höher.

Demonstrationen als Ventil

32 Prozent der Befragten im Osten sind der Meinung, dass Politikerinnen und Politikern das Wohl des Landes wichtig sei. 63 Prozent der Befragten gaben an, dass Ostdeutsche in Deutschland häufig als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Eine deutliche Mehrheit in Ost wie in West sieht dagegen in der Deutschen Einheit nach wie vor einen Gewinn. Die damit verbundenen Hoffnungen hätten sich überwiegend erfüllt, sagte der Ostbeauftragte. Die regelmässigen Demonstrationen sieht Schneider auch als Ventil für die Menschen, die wegen steigender Preise um ihre Existenz bangen.

Vertrauen zurückgewinnen

Schneider sprach von einem "alarmierenden Signal", auf das die Politik eine Antwort finden müsse. "Die Zustimmung zur Demokratie musste im Osten immer erkämpft werden", sagte der aus Erfurt stammende SPD-Politiker. Wichtig sei jetzt, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen und sich nicht in politischen Spitzfindigkeiten zu verlieren: "Dafür ist die Lage zu angespannt."

Meinung äußern "ohne Ärger zu bekommen"

Noch immer verdienten die Menschen im Osten im Mittel 600 Euro weniger als die Westdeutschen, nur 3,5 Prozent der bundesdeutschen Führungspositionen seien mit Ostdeutschen besetzt. Ebenfalls skeptisch bewerten viele die Meinungsfreiheit in Deutschland. Weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Ost- und 58 Prozent der Westdeutschen vertreten den Standpunkt, dass man in Deutschland seine Meinung immer frei äußern kann, "ohne Ärger zu bekommen". 2020 waren das noch 50 Prozent und 63 Prozent. Für den Deutschland-Monitor wurden nach Angaben des Geschäftsführers der Info GmbH Markt- und Meinungsforschung, Holger Liljeberg 4.000 Interviews durchgeführt.

Zwei Drittel in eigener "Informationsblase"

Besorgniserregend sei, dass mittlerweile fast zwei Drittel der Ostler den Gruppen der "angepassten Skeptiker" (26 Prozent) und "verdrossenen Populisten" (35 Prozent) zugeordnet werden müssten, sagte Liljeberg. Diese würden sich zumeist in ihrer eigenen Informationsblase aufhalten: "Hier besteht die Gefahr, dass die Menschen uns in der Kommunikation verloren gehen."

Der Bericht des Ostbeauftragten soll künftig im Wechsel mit dem Bericht zum Stand der Deutschen Einheit erscheinen. Er enthält neben dem Deutschland-Monitor 15 Beiträge von ostdeutschen Gastautorinnen und -autoren zur Situation in ihrer Region.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 29.09.2022 | 06:30 Uhr

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