Bürgermeister auf Rügen fordern: Macht Nord Stream 2 auf!
Deutschland will sich wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine unabhängig machen von Gas aus Russland - auch um den russischen Krieg nicht weiter zu finanzieren. Sieben Bürgermeister auf der Urlaubsinsel Rügen fordern nach NDR Informationen von der Bundes- und Landespolitik dagegen ein Umsteuern in der Energiepolitik und ein Zugehen auf Russland.
Die Kommunalpolitiker haben ein sogenanntes Positionspapier geschrieben, das auch an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gegangen ist. Vor dem Hintergrund der Gaskrise fordern die Verwaltungschefs das Festhalten an russischem Gas. Der eingeschlagene Weg sei nicht der richtige, schreiben sie an die Bundes- und Landesregierung. Unterzeichnet haben das Papier unter anderem die Bürgermeisterin von Bergen, Anja Ratzke (parteilos), der Sassnitzer Stadtchef Frank Kracht (parteilos, Kandidat der Linken) und der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider (parteilos).
Bürgermeister: Nord Stream 1 und 2 nötig
Sich vom Gas aus Russland zu trennen, bedeute eine Explosion der Lebenshaltungskosten. Das führe zu sozialem Ungleichgewicht und Unfrieden, der unkontrolliert wachsen könnte, warnen die Kommunalpolitiker. Die Bürgermeister setzen weiter auf Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. Auch die nicht zugelassene Gasröhre Nord Stream 2 halten sie als eine "zusätzliche Gasversorgung" für nötig. Beides sei wichtig für eine Energiesicherheit "auf Dauer".
Forderung: Russisches Gas und mehr Diplomatie
Die Bürgermeister sprechen sich gleichzeitig gegen den Windkraft-Ausbau mit verringerten Abständen zu Wohngebäuden als Alternative aus - der sei gesundheitsgefährdend. Spar-Appelle der Bundespolitik weisen die Briefeschreiber zurück - "nicht zu verstehen" seien beispielsweise Einschränkungen bei der Warmwasserversorgung. Mitunterzeichner Kracht sagte im Interview mit NDR MV Live: "Wir möchten als Bürgermeister dieser Insel, dass wir keine weiteren Einschränkungen hinnehmen müssen." Die Rügener Kommunalpolitiker wollen "ein generelles Umdenken bei der Lösung der aktuell anstehenden Probleme in den Beziehungen mit Russland". Es müsse ein diplomatischer Weg eingeschlagen werden. Wie dieser angesichts des russischen Krieges aussehen soll, lassen die Verfasser offen. In ihrem Brief vermeiden sie eine Verurteilung Russlands als Aggressor.
Staatskanzlei: Stehen hinter Beschluss der Bundesregierung
Reserviert reagierte die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Schwesig. Man habe den Brief von der Insel Rügen "zur Kenntnis genommen", erklärte ein Regierungssprecher. Die Frage nach Inbetriebnahme von Nord Stream 2 stelle sich allerdings nicht. Die Bundesregierung habe Ende Februar die Zertifizierung und damit die gesamte Pipeline Nord Stream 2 gestoppt. Die Landesregierung stehe hinter dieser Entscheidung. "Wir alle wünschen uns, dass es Frieden gibt. Aber der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauert leider weiter an", so der Sprecher.
Habeck: "Putin hat das Gas, aber wir haben die Kraft"
Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte die Bürger Anfang der Woche auf weiter sinkende Gasmengen aus Russland eingestellt. Russlands Präsident Wladimir Putin treibe ein "perfides Spiel". Er versuche, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben. Dafür schüre er Unsicherheit und treibe die Preise. Technische Gründe für die Lieferkürzungen durch die Pipeline Nord Stream 1 gebe es nicht. Habeck appellierte an die Menschen, zusammenzustehen: "Putin hat das Gas, aber wir haben die Kraft". Der Staatskonzern Gazprom hatte die Gasmenge am Mittwochmorgen nach Angaben der Bundesnetzagentur auf 20 Prozent der maximalen Kapazität reduziert.
Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sagte bei NDR MV Live, auf Nord Stream 2 zu setzen sei "absurd". Wenn Russland Gas liefern wolle, reiche die Pipeline Nord Stream 1 vollkommen aus.
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