Auch Schwesig begrüßt Entscheid über Bürgerbeteiligung an Windparks
Nach etlichen Schlappen vor Gericht hat es jetzt mal geklappt: Die Landesregierung hat einen juristischen Erfolg eingefahren und für einen gewagten Vorstoß Recht vor dem höchsten Gericht bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz des Landes für verfassungskonform erklärt.
Die Entscheidung bestätigt den zentralen Punkt des Gesetzes: Betreiber von Windkraftanlagen in Mecklenburg-Vorpommern können verpflichtet werden, Bürger und Gemeinden finanziell an den Projekten zu beteiligen. Sie müssen ihnen die Möglichkeit geben, mindestens 20 Prozent an einer Windpark-Gesellschaft zu erwerben. Damit ist die Verfassungsbeschwerde des Windpark-Investors UKA mit Sitz in Sachsen erfolglos geblieben. Die Firma ist auch in Mecklenburg-Vorpommern aktiv.
Klimaschutz vor Berufsfreiheit
Das Gesetz sollte 2016 der Energiewende neuen Schub geben und für mehr Akzeptanz auch bei Kritikern sorgen. Die Idee: Wenn die Betroffenen vor Ort vom Geschäft mit dem Windstrom profitieren, dann sind sie auch leichter für neue Windräder zu begeistern. Die Richter stützen die Argumentation. Für sie ist Windkraft Klimaschutz und der diene dem Gemeinwohl. Und das wiege unterm Strich schwerer als mögliche Eingriffe in die Berufsfreiheit. Der Ausbau der erneuerbaren Energien schütze die Grundrechte vor den Gefahren des Klimawandels und außerdem sichere er die Stromversorgung, so die Richter.
Meyer: Entscheidung stärkt Energiewende
Wirtschafts- und Energieminister Reinhard Meyer (SPD) begrüßte die Entscheidung. Der Richterspruch stärke die Energiewende und bestätigte die Vorreiter-Rolle Mecklenburg-Vorpommerns. Inzwischen verfolge auch der Bund mit seinem "Erneuerbare-Energien-Gesetz" das Modell der Bürgerbeteiligung. Ähnlich äußerte sich wenig später dann auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die die Aussagen ihres zuständigen Fachministers sinngemäß wiederholte.
Pegel hat Gesetz durchgeboxt
Schwesig war seinerzeit an dem Gesetz nicht beteiligt, sie war noch Mitglied des Bundeskabinetts in Berlin. Die Lorbeeren hätte eigentlich ein ganz anderer verdient. Ex-Energieminister Christian Pegel (SPD) hat das Gesetz damals gegen Widerstände durchgeboxt und juristisches Neuland betreten. Pegel ist jetzt aber Innenminister und musste deshalb schweigen. Schwesig hat Pegels einst als so wichtig erklärtes Energieministerium im vergangenen November kurzerhand aufgelöst.
Kritik von der AfD
Im Landtag klatschten die Fraktionen von SPD, Linken und FDP Beifall. Sie sehen das Gesetz als Vorbild für Regelung im Bund. Die AfD, die den Windkraft-Ausbau ablehnt, kritisierte das Gesetz als "Bürgerbestechungsgesetz". Die Bürger wollten keine neuen "Monsteranlagen." Von einem "großen Erfolg" sprach Arp Fittschen, zuständiger Referent beim Städte- und Gemeindetag. Das sei eine gute Entscheidung für den Klimaschutz und die Versorgungssicherheit in Mecklenburg-Vorpommern.
Unternehmen wenig erfreut
Wenig erfreut über die Karlsruher Entscheidung zeigte sich dagegen das Windkraft-Unternehmen UKA, das Verfassungsbeschwerde einlegt hatte. Es fürchtete finanzielle Risiken, wenn Unternehmensanteile an Dritte abgegeben werden müssten. Bei anderen Unternehmen in der Energiebranche - vor allem bei Kohle und Gas - sei das nicht vorgesehen und deshalb ungerecht. Man bedauere die Entscheidung, erklärte das Unternehmen. Das Gesetz behindere den Ausbau der Windkraft in Mecklenburg-Vorpommern, es sei viel zu kompliziert.
Standort MV unattraktiv
Die auf Energierecht spezialisierte Anwaltskanzlei Maslaton aus Leipzig erklärte, der Standort Mecklenburg-Vorpommern werde durch die Entscheidung unattraktiv. Die Maslaton-Juristen hatte die UKA in Karlsruhe vertreten. Das Gericht stelle den Klimaschutz weiter nach vorn, es "verliert aber die Praxis aus den Augen". Für Maslaton gehen die Beteiligungspflichten zu weit, es drohe außerdem ein Flickenteppich an Beteiligungsgesetzen. Der Bund müsse schnellstens einheitliche Regelungen treffen.
Verband: Gesetz dringend vereinfachen
Ähnlich äußerte sich der Landesverband Erneuerbare Energien. Das Bürgerbeteiligungsgesetz sei ein "Bürokratiemonster", so der Vorsitzende Johann-Georg Jaeger, es müsse dringend vereinfacht werden, forderte der Ex-Grünen-Landtagsabgeordnete. Statt Unternehmensanteile zu erwerben, sollten Bürger oder Gemeinden direkt von den Umsätzen der Windparks profitieren. Denkbar sei ein gewisser Anteil an der verkauften Kilowatt-Stunde. Jaeger verwies auf die geringe Bedeutung des Gesetzes: Seit sechs Jahren sei nur ein Projekt mit Bürger- und Gemeindebeteiligung tatsächlich abgeschlossen worden. Das sei in Schönberg in Nordwestmecklenburg entstanden - nach etlichen Schwierigkeiten.
