Kommentar: Was bleibt von Donald Trump?
Vier Jahre Donald Trump als US-Präsident, die jetzt zu Ende gehen, haben die Welt verändert. Wie tief der Graben in der US-amerikanischen Gesellschaft ist, wurde beim sogenannten Sturm auf das Kapitol in Washington noch einmal deutlich. Aber was bleibt von Trump?
Der NDR Info Wochenkommentar von Gordon Repinski, stellvertretender Chefredakteur von ThePioneer.

Am kommenden Mittwoch endet die Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident. Vier Jahre enden, die keinen historischen Vergleichspunkt kennen. Vier Jahre, in denen sich die politische Kultur in den Vereinigten Staaten gewandelt hat wie nie zuvor, in denen die Spaltung der Gesellschaft sichtbarer denn je geworden ist. Es war aber auch ein Experiment mit einer Leitfrage: Was kann ein Populist verändern, bewirken, zerstören, wenn er plötzlich der mächtigste Mann der Erde ist?
Die gute Erkenntnis am Ende: Die schlimmsten Katastrophen sind ausgeblieben. Das provokante Spiel der Trumpisten mit dem unberechenbaren Regime in Teheran vor einem Jahr war der wahrscheinlich gefährlichste Moment der Präsidentschaft. Die Tötung des iranischen Generals Soleimani hätte zu einem unkontrollierten Flächenbrand im Mittleren Osten führen können, mit unabsehbaren Folgen für die Menschen in der Region, für die Flüchtlingsströme nach Europa und für die Weltwirtschaft.
Spuren von Restvernunft im Weißen Haus
Dass es zu diesem Konflikt wie zu anderen nicht kam, lag an Haltekräften in der Trump-Regierung, die das Schlimmste verhindert haben. Immer wieder hat Trump sie ausgetauscht. Am Ende haben Spuren von Restvernunft im Weißen Haus und das außenpolitische Desinteresse Trumps dazu geführt, dass der Welt der Schaden eines großen Kriegs erspart blieb. Die Aufräumarbeiten begrenzen sich nun auf die weitgehend entmachteten internationalen Organisationen: Für UNO, Welthandelsorganisation und NATO braucht es einen Neuanfang. Er wird kommen.
Im internationalen Verhältnis hat Trump nicht nur Dummheiten begangen. Die harte Haltung gegenüber China etwa war richtig. Die Ignoranz von Regeln des internationalen Handels auf Seite Pekings ist seit Jahren ein Problem, das in Anbetracht des großen chinesischen Absatzmarktes von Europa nicht angegangen wurde. Es ist richtig, dass Trump hier den Ton verändert hat. Hätte er sich auf einen bestehenden Rechtsrahmen wie die Welthandelsorganisation berufen, hätte die Weltgemeinschaft hier sogar vorankommen können. Der Versuch steht aus - und wird womöglich von Trumps Nachfolger Joe Biden in das Programm für die nächsten vier Jahre aufgenommen.
Tiefpunkt der Amtszeit: Der Sturm auf das Kapitol
So sehr der außenpolitische Schaden der Jahre überschaubar blieb, ist der innenpolitische für jedermann am 6. Januar in seiner Größe sichtbar geworden. Der Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol, angefeuert durch den Präsidenten und viele Republikaner selbst, ist zum Tiefpunkt der Amtszeit und der jüngeren US-amerikanischen Geschichte geworden. Er markiert den Moment, in dem der Präsident der ältesten Demokratie der Welt das eigene System untergräbt.
Der Sturm auf das Kapitol war beschämend, erschreckend und gefährlich. Wer die stolze Aura des Kapitols in Washington D.C. einmal mit eigenen Augen wahrnehmen konnte, weiß, dass ein Angriff auf dieses Gebäude ein Angriff auf die Demokratie ist. Wie er größer und symbolischer kaum stattfinden könnte.
Aber der Tag markiert nicht den Moment, in dem die amerikanische Demokratie beschädigt wurde. Er markiert den Tag, an dem der Schaden sichtbar wurde. Der Marsch der gewalttätigen Trump-Anhänger ist die Folge wochenlanger zerstörerischer Rhetorik der Republikaner nach der Wahlniederlage im November, die von gestohlenen Stimmen gesprochen haben wie der Trump-Clan selbst. Er ist die Folge von jahrelanger Propaganda des eigenen Präsidenten, der demokratische Werte infrage stellte und das eigene Volk gegen seine Institutionen aufwiegelte.
Mit Demokratie spielt man nicht
Dass die Folgen so sichtbar wurden, dürfte am Ende auch Gutes bringen. Es lässt Trump einsam aus dem Amt scheiden. Nicht als betrogener Märtyrer, wie er es sich gewünscht hätte. Die Republikaner, die ihn lange gedeckt und unterstützt haben, distanzieren sich zunehmend von ihm. Sie tun es rückgratlos und opportunistisch, so wie sie ihm zuvor gefolgt haben. Aber es öffnet die Tür der Versöhnung einen Spalt. Nun gilt es für die Demokraten, für den baldigen Präsidenten Joe Biden, die Hand auszustrecken.
Das Experiment der Trump-Jahre ist missglückt. Amerika steht schlechter da als zuvor, wirtschaftlich, global, gesellschaftlich, kulturell. Dass es so krachend am Ende scheiterte, könnte unser Glück in Europa sein. Eine Pandemie wird durch Populismus nicht besiegt, der Beweis ist erbracht. Und wenn es einen Satz bräuchte, mit dem man die Trump-Jahre als Lehre für uns in Europa formulieren würde, dann würde er lauten: Mit Demokratie spielt man nicht.
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