Kommentar: Jens Spahn macht plötzlich Fehler
Das Versprechen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), ab 1. März kostenlose Corona-Schnelltests für alle zu ermöglichen, hat sich als unhaltbar erwiesen. Die Test-Kapazitäten werden vorerst anderweitig gebraucht.
Ein Kommentar von Barbara Kostolnik, ARD Hauptstadtstudio
Jens Spahn ist beim Jonglieren der vielen Pandemie-Bälle ins Schleudern geraten. Er hat sich böse verrechnet, als er kostenlose Schnelltests für alle versprochen hat. Das ist wie mit Freibier: Wer verspricht, muss auch liefern. Wer das nicht kann, ist ein Maulheld. Nun hat Jens Spahn in dieser Pandemie bislang jegliches Maulheldentum unterdrücken können. Bis zur Sache mit den Tests. Und das ist ärgerlich und dumm.
Als Krisenmanager leistet Spahn gute Arbeit

Der Bundesgesundheitsminister befindet sich seit dem Ausbruch der Seuche in Deutschland im Dauereinsatz - und wenn wir uns das Management der Krise vor Augen führen, dann macht er seine Sache nicht schlecht. Deutschland muss anders als andere Länder wie Italien oder Frankreich oder die USA keine Bilder von Corona-Leichenbergen verdauen, Triage-Traumata, also Entscheidungen, wer medizinisch versorgt wird und wer nicht mehr, konnten bisher glücklicherweise weitestgehend verhindert werden, drei Impfstoffe sind zugelassen, erste Selbst-Schnelltests auch.
Fehler beim Impfen hat der Minister nicht zu verantworten
Ja, es geht zu langsam mit dem Impfen, aber das hat nicht Spahn zu verantworten, sondern die EU-Kommission, die zu wenig bestellt hat, und die Bundesländer, die die Termine nicht koordiniert bekommen. Spahn könnte also einigermaßen entspannt bleiben. Nun aber scheint dem Bundesgesundheitsminister, der schon oft in dieser Krise um Geduld und Verständnis geworben hat - unter anderem mit seinem mittlerweile geflügelten Wort vom "Einander-verzeihen-Müssen" - selbst die Geduld abhanden zu kommen.
Das Vorpreschen kostet Spahn Glaubwürdigkeit
Der Jens Spahn der Pandemie war bislang ein überlegter, vorsichtiger, zurückhaltender Minister, der sich trotz des großen Drucks stets um größtmögliche Transparenz und Aufrichtigkeit bemühte. Dass er jetzt, ohne sich mit den Ländern abzusprechen, bei den Schnelltests vorgeprescht ist und ohne Not vollmundig zum 1. März kostenlose Tests für alle versprochen hat, weil er sich davon gute Presse und allgemeines Lob erhoffte, kostet Spahn einiges an Glaubwürdigkeit: Diese Tests nämlich wird es so schnell nicht geben.
Und es bietet eine offene Flanke für diejenigen, die händeringend ein Wahlkampfthema suchen. Die SPD ruft prompt "Ankündigungsminister!". Das wird kleben bleiben und erschwert die Bekämpfung der Pandemie, bei der Vertrauen und Zuverlässigkeit die einzig sicheren und stabilen Werte sind. Spahn hätte lieber nichts versprochen, was er nicht halten kann. Er sollte sich nicht noch einmal hinreißen lassen, für einmal schnelles Schulterklopfen seine Glaubwürdigkeit zu opfern.
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