Kommentar: Bei den Midterm-Wahlen werden die Weichen gestellt
In den USA stehen die Midterms an, die Wahlen zum Kongress zur Halbzeit der Präsidentschaft von Joe Biden. Es wird ein knappes Rennen erwartet. Was passiert, wenn die Republikaner die Mehrheit im Kongress gewinnen?
Der NDR Info Wochenkommentar "Die Meinung" von Markus Feldenkirchen ("Der Spiegel")
Wer gedacht hatte, mit dem Sieg von Joe Biden über Donald Trump vor zwei Jahren sei der Spuk vorbei und die Vereinigten Staaten wieder jenes Land, das sie jahrzehntelang waren, der lag mal so richtig daneben. Und zwar in jeglicher Hinsicht. Zum einen ist Trump selbst immer noch präsent wie eh und je. Und das nicht nur, weil allerhand Gerichte Anklage gegen ihn erheben. Nein, er selbst meldet sich rund um die Uhr zu Wort und erhebt in Reden und Interviews Anklage gegen seinen Nachfolger Biden, dessen Partei, die Demokraten, und gegen das liberale, demokratische System an sich.
Aber auch der Trumpismus ist nicht verschwunden. Also die rüpelhafte Form des politischen Umgangs. Die Bereitschaft zur kaltschnäuzigen Lüge. Der Pakt mit der neuen Rechten. Der Hang zum Rassismus. Das Verächtlich machen von demokratischen Institutionen, des Parlaments, der Justiz, auch der Medien. Die latenten Umsturzfantasien.
Bannon und Co. haben Pläne
Steve Bannon, jener Stratege, der 2016 entscheidend zu Trumps Wahlsieg beigetragen hat, und der ebenfalls so präsent ist wie selten zuvor, auch weil er angeklagt ist, fantasiert öffentlich, dass die Republikaner bald schon mit den Mitteln der Justiz in den Vereinigten Staaten aufräumen würden. Insbesondere mit jenen Behörden, die es gewagt hatten, ihn, Trump und andere Mitstreiter der Bewegung ins Visier zu nehmen.
Mit der erhofften neuen Mehrheit der Republikaner im Kongress sollten mehrere Amtsenthebungsverfahren, sogenannte Impeachments, eingeleitet werden. Es müsse für die Republikaner jetzt in erster Linie darum gehen, die "Rattennester" im Justizministerium und beim FBI zu "säubern", so Bannon.
Reicht es für die Republikaner für das Repräsentantenhaus?
So ist das politische Klima kurz vor den bedeutenden Midterm-Wahlen an diesem Dienstag. Die Republikaner sind selbstbewusst und sie sind in Siegeserwartung. Sie geben sich überzeugt davon, dass sie mindestens im Repräsentantenhaus die Mehrheit erreichen werden, vielleicht auch im Senat. Mit der neugewonnenen Macht sollen Biden und seine Regierung dann noch etwas lahmer gelegt werden als sie es ohnehin schon sind. Ganze Gesetzesvorhaben könnten dann blockiert werden. Jeder Cent, den die Biden-Regierung ausgeben will, könnte verweigert werden. Und das würde gewiss auch die Chancen der Republikaner bei der nächsten Präsidentschaftswahl in zwei Jahren erhöhen.
Und wenn wir von Republikanern reden, dann sprechen wir nach wie vor von Trump-Republikanern. Es hat in den vergangenen Jahren zwar einzelne Mitglieder gegeben, die den Mut aufbrachten, öffentlich zu sagen, dass der primitive Rechtspopulismus die traditionsreiche Partei früher oder später ins Verderben führen wird, aber das wollte die Mehrheit nicht hören. Und Trump sorgte zuverlässig dafür, dass die Warner und Mahner möglichst rasch kaltgestellt wurden.
Donald Trump ging es immer schon ums Gewinnen
Inzwischen hat Trump mehr oder weniger klar gemacht hat, dass er selbst wieder ums Weiße Haus kämpfen will. Auch hier: Wer etwas anderes erwartet hatte, hat diesem Mann nie wirklich zugehört. Ihm ging es sein Leben lang nur um eines: ums Gewinnen. Und natürlich wird er alles dafür tun, der Welt vermeintlich zu beweisen, dass seine Niederlage gegen Biden keine Niederlage war. Dass er zumindest am Ende wieder als Sieger dastehen wird. Komplexer wird es bei Trump jedenfalls nicht.
Das wirft erneut die Frage auf, wie seine Wiederwahl zu verhindern ist? Und von wem? Manche sagen ja, dass nur die Gerichte Trump noch stoppen könnten. Sollten sie es tatsächlich einmal schaffen, ihn zu verurteilen, gar zum Gefängnisaufenthalt, wäre der Spuk auf diese Weise beendet. Wobei die ganzen Mini-Trumps, die es inzwischen bei den Republikanern gibt, natürlich weitermachen und versuchen würden, ihr Idol noch enthusiastischer zu rächen.
Ist es klug, dass Joe Biden für eine zweite Amtszeit kandidiert?
Ob aber Biden Trump ein zweites Mal stoppen kann, daran hegen viele in Washington berechtigte Zweifel. Es hat nichts mit Altersdiskriminierung zu tun, wenn man feststellt, dass Biden oft unglückliche Auftritte hinlegt und nicht wirklich jene Dynamik verkörpert, die gerade Amerikaner gern bei ihrem Präsidenten sehen möchten. Es gibt durchaus Menschen, in fast seinem Alter, die diese Dynamik verströmen, siehe Trump. Und es gibt wesentlich Jüngere, die es ebenfalls nicht tun.
Vor allem wenn die Midterm-Wahlen tatsächlich zum großen Erfolg der Republikaner werden, wird sich die Frage stellen, ob es aus demokratischer Sicht klug ist, dass Biden für eine zweite Amtszeit kandidiert. Oder ob er nicht besser rechtzeitig erklärt: Danke, einmal reicht! Und seiner Partei so die Gelegenheit gibt, einen dynamischeren, inspirierenderen Kandidaten zu finden. Es wäre wohl nicht nur für die Demokraten das Beste. Sondern auch für die Demokratie. In Amerika und darüber hinaus.
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