Wie gerecht läuft es in Corona-Zeiten zu Hause?
Die Vierjährige will etwas essen, der Siebenjährige braucht Hilfe bei den Matheaufgaben. Kinderbetreuung zu Hause ist anstrengend. Hinzu kommt die zusätzliche Hausarbeit, wenn alle ständig daheim sind. Aber wer übernimmt diese Aufgaben in Zeiten von Corona? Studien zeigen: Es sind vor allem die Frauen, die für die Familie zurückstecken.
von Ines Burckhardt

Homeoffice - das klang für Lena Hipp vor Corona verlockend: einen Tag in Ruhe von zu Hause aus arbeiten. Seitdem ihre drei Kinder nicht mehr in die Kita oder die Schule gehen können, schafft sie im Homeoffice aber nur noch wenig. "Man kann nur einen Job machen, und vor allem nur einen Job gut machen. Und das ist meines Erachtens entweder die Kinderbetreuung und das Homeschooling oder die Arbeit."
Trotz Lockerungen weiter viel Homeschooling
So wie Lena Hipp, die als Professorin für Sozialstrukturanalyse an der Universität Potsdam arbeitet, geht es zurzeit Millionen von Eltern. Zwar öffnen jetzt bundesweit wieder nach und nach Kitas und Schulen, einen Großteil der Betreuung müssen aber auch in den nächsten Wochen weiterhin die Eltern übernehmen. In einer nicht-repräsentativen Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung mit rund 15.000 Teilnehmern haben Hipp und ihr Team herausgefunden, dass Eltern in den vergangenen Wochen sehr viel unzufriedener mit ihrer Arbeit waren als Kinderlose: "Wir sehen außerdem, dass der Rückgang bei der Arbeitszufriedenheit bei den Müttern stärker war als bei den Vätern. Und wenn wir uns nur die Gruppe derjenigen angucken, die im Homeoffice arbeiten, sehen wir, dass die Lebenszufriedenheit der Mütter, die im Homeoffice arbeiten, deutlich stärker zurückgegangen ist als die der Väter."
Rückfall in traditionelle Rollenmuster
Woran liegt diese Unzufriedenheit? Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung übernehmen Frauen zurzeit einen noch größeren Anteil an der Kinderbetreuung als schon vor der Krise. Sehr viel mehr Mütter als Väter haben laut der Studie ihre Arbeitszeit für die Familie reduziert - unabhängig von Kurzarbeit. Oft spielt dabei das Finanzielle die ausschlaggebende Rolle, weil der Vater mehr verdient. Selbst viele Elternpaare, die sich die Erziehungsarbeit vor Corona ungefähr gleich aufgeteilt haben, leben wieder nach traditionelleren Rollenmustern: Etwa 40 Prozent dieser Paare geben an, die Arbeit zu Hause nicht mehr gleichberechtigt aufzuteilen.
Männer machen in der Krise Karriere
Die Soziologin Jutta Allmendinger findet die Situation alarmierend, wie sie in der ARD-Sendung Anne Will sagte: "Die Frauen werden weiter eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren. Ich glaube nicht, dass man das so einfach wieder aufholen kann." Allmendinger glaubt, dass Frauen in dieser Hinsicht um drei Jahrzehnte zurückgeworfen werden. Auch für Julia Jäkel, Geschäftsführerin des Verlagshauses Gruner & Jahr, ist die Krise ein Schritt zurück in die Männerwelt. In einem Gastbeitrag für die "Zeit" schreibt sie von neuen Männer-Führungszirkeln und Karrieren, die gerade jetzt, wo es in vielen Unternehmen und Institutionen drauf ankommt, von Männern gemacht werden.
Frauen landen jetzt noch leichter auf dem Abstellgleis
Die Ökonomin Michèle Tertilt von der Universität Mannheim geht davon aus, dass die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen durch die Krise noch größer werden: "Das Gehalt hängt auch von den gearbeiteten Jahren ab. Und wenn ich jetzt aktuell reduziere, verpasse ich Karrierechancen und lande leichter auf dem Abstellgleis. Und genau das reflektiert sich dann in den Gehaltsunterschieden, wenn Männer weniger Karrierechancen verpassen und im Moment teils große neue Aufgaben übernehmen."
Umfrage: 25 Prozent der Väter kümmern sich allein
Es gebe aber auch Hoffnung für die Gleichberechtigung: Immerhin 25 Prozent der Väter kümmern sich laut einer Umfrage der Universität Mannheim zurzeit überwiegend allein um die Kinder. Diese Väter, davon ist Tertilt überzeugt, werden auch nach der Krise zu Hause mehr Aufgaben übernehmen als früher.
