Klimaschutz: "Unser Lebensstil wird sich nicht groß ändern"
Kommt es beim Klimaschutz wirklich auf mich an? Wie stark muss ich meinen Lebensstil ändern? Um diese Fragen ging es im Live-Talk von NDR Info. Zu Gast waren Klimaschutz-Experte Michael Bilharz und die Grünen-Bundestags-Abgeordnete Emilia Fester aus Hamburg.
In einer klimaneutralen Gesellschaft zu leben, bringe keinen fundamentalen Wandel für den Lebensstil mit sich, meint Michael Bilharz vom Umweltbundesamt. Er hat sich einen Namen als Experte für klimaneutrale Lebensstile gemacht und lebt selbst klimapositiv. "Auch in einer klimaneutralen Gesellschaft werden wir in 30 oder 40 Jahren mit Autos fahren - dann eben mit Elektro-Antrieb", nennt Bilharz als Beispiel. "Auch die Ernährung wird weiterhin super sein." Der Wandel hin zu einem klimaneutralen Leben führe ja nicht zu einem Rückfall in eine Zeit des Mangels, so wie die Deutschen sie nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten.
"Hafermilch schmeckt sogar besser als Kuhmilch"

Natürlich stehe die Gesellschaft vor der großen Herausforderung, die eingefahrenen Strukturen etwa in der Industrie und bei der Energie-Gewinnung zu verändern, so Bilharz. Aber was von dem Umbruch bei jedem Einzelnen im Alltag ankommt? "Na gut, wir sollten alle ein bisschen weniger Fleisch essen, aber dafür haben wir dann andere spannende Produkte: Fleischersatz-Produkte oder möglicherweise Fleisch aus künstlicher Herstellung. Und Hafermilch schmeckt sogar süßer und besser als normale Kuhmilch." Klimaschutz sei keine Frage des Verzichts, so Bilharz.
"Mit Klimaschutz kann man viel Geld sparen"
Es sei auch ein Irrglaube, dass klimaschonendes Verhalten schlecht für den Geldbeutel ist. "Wenn die Wohnung kleiner ist, weil das besser für das Klima ist, dann ist sie günstiger. Wenn das Auto kleiner ist, ist es günstiger", macht Bilharz deutlich - und nennt weitere Beispiele: "Wenn der Kühlschrank weniger Strom verbraucht, sparen Sie Stromkosten. Wenn Sie nicht fliegen, sparen Sie Geld. Wenn Sie Carsharing machen, statt ein eigenes Auto zu besitzen, sparen Sie Geld." Lediglich bei Bio-Lebensmitteln räumt Bilharz ein, dass dort die Kosten derzeit höher sind als bei herkömmlichen Lebensmitteln.
Ernährung: Vegetarier haben einen besseren CO2-Fußabdruck
Bilharz hat für das Umweltbundesamt den "CO2-Rechner" entwickelt. Dort lässt sich mit wenigen Angaben herausfinden, für wie viel CO2-Emissionen man persönlich verantwortlich ist. Neben den Themen Wohnung und Mobilität geht es dort auch um die Ernährung. Dabei gilt es, einen der folgenden Punkte anzuklicken: vegan, vegetarisch, fleischreduzierte Kost, Mischkost oder fleischbetonte Kost. Bilharz weist im Talk von NDR Info darauf hin, dass Molkerei-Produkte wie Milch, Butter und Käse keine gute Klimabilanz aufweisen. "Ein Kilogramm Käse hat einen etwas höheren CO2-Fußabdruck als ein Kilo Schweine- oder Hühnerfleisch." Generell lasse sich aber sagen, dass Vegetarier einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck haben als jemand, der viel Fleisch isst.
Sein Rat: Jeder solle in Sachen Klimaschutz einfach das Beste versuchen und auf diese Art seine Mitmenschen mitreißen - so wie der Spieler einer Fußballmannschaft versucht, seine Mitspieler mitzureißen.
Emilia Fester: "Wir dürfen niemandem einen Vorwurf machen"
Die Bundestags-Abgeordnete Emilia Fester geht davon aus, dass der Gesellschaft ein großer Wandel bevorsteht. "Letztendlich wird sich fast alles in unserem Zusammenleben verändern", meint die 23-jährige Grünen-Politikerin. Das heiße aber nicht, dass die Leute auf Vieles verzichten müssten. "Es geht nicht darum, dass die Menschen beispielsweise auf Reisen verzichten, sondern um die Art und Weise, wie sie verreisen", sagt Fester. Also: Bahn statt Flugzeug. Oder im Alltag: Fahrrad statt Auto.
Auch wenn Klimaschutz ungemein wichtig sei, damit der Planet in Zukunft bewohnbar bleibt: Man dürfe niemandem in der Gesellschaft einen Vorwurf machen, der sich klimaschonendes Verhalten nicht leisten kann, so Fester. "Wir dürfen nicht ärmeren Menschen vorwerfen, dass sie sich im Supermarkt keine Bio-Lebensmittel kaufen." Gefragt sei hier vielmehr die Politik. Das Ziel müsse sein, dass Bio-Lebensmittel günstiger werden.
