Gasumlage "wird nicht mehr gebraucht" - Gaspreisbremse kommt

Stand: 29.09.2022 20:19 Uhr

Die Bundesregierung hat sich auf einen "Abwehrschirm" gegen hohe Energiepreise geeinigt. Die steigenden Preise sollen in diesem Jahr mit einem Investitionspaket in Milliardenhöhe gedämpft werden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Finanzierung über Kredite von bis zu 200 Milliarden Euro
  • Gasumlage in letzter Minute gestoppt
  • Gaspreisbremse analog zur geplanten Strompreisbremse
  • Maßgeschneiderte Maßnahmen für angeschlagene Gasimporteure
  • Mehrwertsteuer auf Gaslieferungen sinkt schrittweise

Die Finanzierung soll über den bestehenden Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) sichergestellt werden. Dieses Sondervermögen war in der Corona-Krise zur Rettung größerer Unternehmen gebildet worden und wird nun wiederbelebt. Der Bund will es "mit zusätzlichen Kreditermächtigungen" in Höhe der geplanten Mittel für das Hilfspaket füttern. Dafür muss der Bundestag erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließen. Auch wenn das Geld über die nächsten Jahre schrittweise abfließen wird, soll es noch in diesem Jahr bereitgestellt werden.

Gasumlage ist vom Tisch

Die Gasumlage werde nicht mehr gebraucht, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz in Berlin. Das von Scholz als "Abwehrschirm" bezeichnete Paket solle dazu beitragen, dass Rentnerinnen und Rentner, Familien, Handwerksbetriebe und Industrie die Preise bezahlen könnten. Wie die als Teil dieses "Abwehrschirms" geplante Gaspreisbremse, die die Bundesregierung nun analog zur bereits geplanten Strompreisbremse auf den Weg bringen will, genau aussieht, soll die dafür eingerichtete Kommission erarbeiten. "Es wird nicht viele Tage dauern", so Scholz, der wegen seiner Corona-Infektion digital zugeschaltet war.

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Habeck: Verbraucher müssen mehr sparen

Für die angeschlagenen Gasimporteure Uniper, Sefe und VNG würden statt der ursprünglich geplanten Gasumlage maßgeschneiderte Maßnahmen entwickelt. "Wir sind nach wie vor in einer kritischen Situation und der Verbrauch muss runtergehen", betonte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er wandte sich dabei vor allem an Privatverbraucher. Habeck betonte, dass Gasversorger die Gasumlage zurückerstatten müssen, sollten sie sie zum 1. Oktober abbuchen. Trotz des Wegfalls der Gasumlage soll die Mehrwertsteuer auf die Lieferung von Gas wie geplant vom 1. Oktober an reduziert werden. "Wir können jetzt nicht mehr davon ausgehen, Gas aus Russland zu beziehen", sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit Blick auf die Gaslecks in den Nord Stream Pipelines.

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Günther sieht ein "wichtiges Signal"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem richtigen Schritt. Die Beschlüsse deckten sich mit den Forderungen der Ministerpräsidenten, sagte er. Wichtig sei das klare Bekenntnis, auch wenn es noch nicht konkret genug sei. "Aber dass jetzt auch wirklich gehandelt wird, dass jetzt auch über Größenordnungen gesprochen wird, ist auf jeden Fall schon mal ein wichtiges Signal, auch der Beruhigung." Günther zeigte sich erfreut darüber, dass die Gasumlage vom Tisch ist. Dass es keine Preissprünge beim Gas gebe, werde viele Menschen erleichtern. Zwei sei einiges noch unklar, "aber die Botschaft ist auf jeden Fall absolut richtig und notwendig", sagte er.

Weil spricht von "großem Wurf"

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) bezeichnete den Abwehrschirm der Bundesregierung als "großen Wurf": "Der Bund engagiert sich mit 200 Milliarden Euro und ist damit handlungsfähig in seinem Kampf gegen die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise", sagte er. Weil begrüßte konkret die angekündigte Zurückziehung der Gasumlage sowie die Einführung einer Energiepreisbremse. "Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass auch die Bundesregierung Wert darauf legt, dass ein praktisch gut anwendbares und schnell realisierbares System gefunden wird", sagte er. Darüber hinaus müsse es jedoch auch Hilfsprogramme für die Wirtschaft sowie besonders belastete private Verbraucher geben, sagte Weil. "Auch hierfür wird mit dem Abwehrschirm die finanzielle Grundlage gelegt."

Fegebank: "Dürfen beim Energiesparen nicht nachlassen"

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) begrüßte das Hilfpaket ebenfalls: "Wir lassen uns nicht einschüchtern von Putins Energiekrieg. Wir sind ein starkes Land und haben die Kraft uns zu verteidigen", sagte sie. Der "Abwehrschirm" werde Millionen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entlasten. Nun müsse massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert werden - "und wir dürfen beim Energiesparen nicht nachlassen", mahnte sie. Beides sei der Schlüssel zur schrittweisen Energieunabhängigkeit in Deutschland.

Schwesig: Basisverbrauch staatlich deckeln

Auch aus Mecklenburg-Vorpommern kommt Lob für die Beschlüsse: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte, dass ihre Regierung sich kontinuierlich für einen Gaspreisdeckel eingesetzt habe. Sie appellierte an den Bund, in der konkreten Ausgestaltung wie bei der Strom- auch bei der Gaspreisbremse einen Basisverbrauch staatlich zu deckeln. Das ermögliche eine klare Entlastung und mehr Planungssicherheit.

Wirtschaftsexperten sehen Risiken

Wirtschaftsexperten kritisieren, dass eine Gaspreisbremse die ohnehin schon hohe Inflation weiter anfachen könnte. Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts lag diese im September bei zehn Prozent. Zudem fehle der Anreiz für Privatkunden, Gas zu sparen, wenn der hohe Preis nicht an sie weitergegeben werde. Wegen des hohen Importanteils erfordere eine Senkung des Gaspreises "massive Subventionen, die ihrerseits natürlich dann neue Kaufkraft in den Privatsektor pumpen würden", sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel bei Vorstellung des Herbstgutachtens der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Berlin.

EU-Kommission will "Aktionsplan" vorstellen

Auch die EU-Kommission will kommende Woche einen "Aktionsplan" gegen die hohen Gaspreise vorstellen. Die Forderung von mehr als der Hälfte der Mitgliedsstaaten nach einer Obergrenze für die Gas-Importpreise sieht die Kommission laut einem internen Papier allerdings skeptisch.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 29.09.2022 | 21:45 Uhr

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