Drosten: "Impfungen verändern die Pandemie erst nach Ostern"
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update zeigt sich Christian Drosten optimistisch, weil bis zum Sommer sehr viele Menschen in Deutschland geimpft werden könnten. Aber bis dahin sei noch Vorsicht geboten.
"Ich bin total positiv überrascht über die in Aussicht stehenden Impfstoff-Lieferungen", sagt Drosten in der jüngsten Folge des Podcasts Coronavirus-Update - am Tag nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern. "Die Situation ist viel besser, als ich das noch vor Tagen gedacht habe." Auf Grundlage der genannten Impfdosen könnten bis Ende Juni schon mehr als 50 Millionen Menschen in Deutschland geimpft sein.
Corona-Impfungen: Bei hoher Rate weniger Krankenhaus-Fälle
Zuversichtlich stimmen den Virologen der Berliner Charité zudem Daten aus Israel, die den Schluss nahe legen: Wenn ungefähr 50 Prozent einer Altersgruppe geimpft sind, dann sinkt bereits die Krankenhaus-Aufnahme-Rate in dieser Altersgruppe - im Vergleich zu einer Altersgruppe, die nicht solch eine hohe Durchimpfungs-Rate hat. "Das ist extrem ermutigend", urteilt Drosten.
Neuinfektionen: Bis Ostern keinerlei Effekt durch Impfungen
Bei aller Freude über diese Aussichten macht der Virologe aber auch klar: Bis es so weit ist, vergehen noch etliche Monate. "Bis Ostern können wir in Deutschland noch nicht viel an Bevölkerungsschutz durch die Impfungen erwarten." Die vorrangigen Impfungen der Pflegeheimbewohner und der Über-80-Jährigen im ersten Quartal diene vor allem dem Schutz der Risikogruppen. "Das senkt die Sterblichkeit", so Drosten. Aber die Zahl der Neuinfektionen werde dadurch nicht deutlich sinken, weil die älteren Menschen am Ende der Übertragungsketten stehen und sie selten vielfältige Kontakte in der Gesellschaft haben. "Das heißt: Bis Ostern haben wir durch die Impfungen keinerlei Effekt bei den Neuinfektionen", fasst Drosten zusammen.
Große Altersgruppen lange noch nicht geimpft
Aus seiner Sicht wäre es ein großer Fehler, die Pandemie zu Ostern für beendet zu erklären. Das Infektionsgeschehen müsse fürs Erste weiterhin mit Kontaktbeschränkungen geregelt werden. Er weist darauf hin, dass große Bevölkerungsschichten auch in Monaten noch nicht geimpft sein werden - wie etwa die Gruppe der 40- bis 60-Jährigen, zu der in Deutschland circa 23,6 Millionen Frauen und Männer zählen. Sollte die Politik die Corona-Regeln zu früh lockern, würden die Infektionszahlen in den nicht-geimpften Altersgruppen in die Höhe schnellen.
Vor dem Herbst wohl kein Impfstoff für Kinder
Außerdem dürfe man die Kinder und Jugendlichen nicht außer Acht lassen, für die bislang kein Impfstoff zugelassen ist. Drosten hofft darauf, dass "über den Herbst hin" die Zulassung eines ersten Impfstoffs für Kinder erfolgt. "Solange sie nicht geimpft sind, werden wir hohe Fallzahlen unter ihnen sehen." In Deutschland leben rund 13,5 Millionen Mädchen und Jungen unter 18 Jahren. Man müsse deshalb unbedingt die Entwicklung eines Impfstoffs für Kinder weiterverfolgen. Zumal auch sie - wenn auch nur in seltenen Fällen - von schweren Krankheitsverläufen betroffen sein können.
Drosten über Kinder: "Niemand ist ein Treiber der Pandemie"
Zu der Auffassung, dass Kinder "Treiber der Pandemie" seien, äußert sich Drosten in dem Podcast von NDR Info deutlich. Es werde Zeit, sich endlich "von dieser blöden Idee zu verabschieden, dass irgendeine Gruppe ein spezieller Treiber des Infektionsgeschehens ist. Wir leisten alle den gleichen Beitrag zu dieser Pandemie". Die Kinder seien - anders als etwa bei der saisonalen Grippe - nicht die Treiber des Infektionsgeschehens in der Corona-Pandemie. "Aber genau so wenig sind es die Restaurant-Besucher, die Besucher von Opernhäusern oder die Mitarbeiter in irgendwelchen Großbüros", sagt Drosten. Das heiße aber nicht im Umkehrschluss, dass jemand, der nicht Treiber der Pandemie ist, keine Relevanz für das Infektionsgeschehen habe.
Alle vorliegenden Impfstoffe wirken gegen schwere Verläufe
Mit Blick auf die unterschiedlichen Prozentzahlen bei der Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe fragen sich viele Deutsche, ob es einen Unterschied macht, welches Vakzin sie gespritzt bekommen. Drosten macht klar, dass die Unterschiede bei den Prozentzahlen sich eher auf die Verläufe mit schwachen Symptomen beziehen. "Was uns aber doch eigentlich interessiert, ist die Frage: Sind wir mit einer Impfung gegen einen schweren Verlauf geschützt?" Und da laute die Antwort: "Alle diese Impfstoffe sind gegen schwere Verläufe total gut wirksam", sagt Drosten.
