Corona: Kommen die Antigen-Schnelltests für zu Hause?
Die Kurve der wachsenden Infektionszahlen ist erst mal abgeflacht - und trotzdem ist die Lage noch nicht im Griff. Große Hoffnung liegt auf den sogenannten Antigen-Schnelltests.
Kliniken verschieben inzwischen nicht dringliche Operationen, um Kapazitäten für Corona-Patienten frei zu halten. Bund und Länder wollen heute die Beschränkungen offenbar verlängern. Die Labore kommen mit dem Testen kaum hinterher, bis Ergebnisse vorliegen dauert es manchmal Tage. Inzwischen sind immer mehr sogenannte Antigen-Schnelltests auf dem Markt. Die aktuelle Folge des NDR Info-Podcasts "Das Coronavirus-Update" mit dem Virologen Christian Drosten hat diese Tests genauer diskutiert.
Drosten: "Antigen-Test ein ganz wichtiges neues Werkzeug"

Für den Antigen-Test ist ein Nasen-Rachen-Abstrich nötig, dieser wird in Kontakt mit einer Flüssigkeit gebracht. Enthält der Abstrich Coronaviren, erscheint im Sichtfeld ein farbiger Strich - ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Das Ergebnis soll innerhalb von 15 Minuten vorliegen. "Ich glaube, dass diese Antigen-Tests ein ganz wichtiges neues Werkzeug in der der Bekämpfung der Pandemie sind", sagt der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, in der aktuellen Folge des NDR Info Podcasts "Das Coronavirus-Update". "Da muss man jetzt mit vereinten Kräften auf der politischen, regulativen und wissenschaftlichen Ebene vorwärts gehen, dass man diese Tests in die Anwendung kriegt. Sonst ist die große Winterwelle vorbei und dann haben wir erst am Ende, wenn es wieder besser wird, auch Antigen-Tests. Das wäre nicht so gut", so Christian Drosten weiter. Die Antigen-Tests müssten jetzt angewendet werden.
Antigen-Tests liefern nur Momentaufnahme
Noch mehr als PCR-Tests sind die Schnelltests nur eine Momentaufnahme. Für einzelne Fälle wie das spontane Testen vor dem Besuch im Altenheim seien sie sinnvoll, so Christian Drosten. Bei einem bevölkerungsreichen Land wie Deutschland sei aber an Massentests nicht zu denken - mit Ausnahmen: "Es lohnt sich, mit einem solchen Antigen-Test in einen Hotspot reinzugehen, wenn man weiß: In diesem Stadtteil haben wir ein Riesenproblem", sagt Drosten. Den Stadtteil an einem Wochenende durchzutesten, das würde sich auch in Deutschland lohnen.
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet zurzeit rund 200 Antigen-Tests, die im Handel in Deutschland erhältlich sind. Laut dem Bundesgesundheitsministerium sollen sie mit Mindestkriterien überprüft und verglichen werden. Bisher darf in Deutschland nur das medizinische Fachpersonal diese Antigen-Tests durchführen. Anders als etwa Schwangerschaftstest sind sie nicht in der Apotheke frei erhältlich. Das Ministerium schreibt auf Anfrage von NDR Info: "Im Gegensatz zu den Test für den professionellen Gebrauch ist hier zwingend die Einschaltung einer Benannten Stelle erforderlich. Diese prüft die vom Hersteller vorgelegten klinischen Daten, die belegen, dass 'jedermann' (vom Hilfsarbeiter bis zum Akademiker, Jung und Alt) einen solchen Selbsttest sicher anwenden können." Der Einsatz von Selbsttests auch für den persönlichen Gebrauch werde derzeit noch intern bewertet.
Große Chancen, Super-Spreader zu identifizieren

Der Virologe Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg fordert seit Monaten, dass sich möglichst bald jeder und jede selbst testen kann – mit Antigen-Schnelltests aus der Apotheke. "Die Antigen-Schnelltests haben den Vorteil, dass sie zumindest für den Tag, an dem man sie gemacht hat, sagen kann, ob man sehr stark ansteckend ist", erklärt er. "Wir können damit zwar manche Leute nicht erwischen, die nur ganz wenig Viren im Hals haben. Aber jemand, der ein Super-Spreading-Ereignis auslösen kann, den kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit rausfischen und das ist für den privaten Bereich natürlich Gold wert. Wenn sie Weihnachtsveranstaltungen haben oder irgendwelche Treffen, dann ist es sehr, sehr wertvoll, sich zu testen."
Virologe Kekulé traut Menschen zu, sich selbst zu testen
Seiner Einschätzung nach wird die formale, gesetzliche Hürde bis Weihnachten nicht ausgeräumt werden. Die Kritik, dass Privatpersonen nicht fähig dazu seien, sich selbst zu testen oder ein positives Ergebnis eventuell nicht melden, teilt Kekulé nicht. "Ich glaube, wenn man die Antigen-Schnelltests parallel zu dem bestehenden System hätte, wäre das ein Riesenvorteil. Die Menschen können den Rachenabstrich selber machen. Das ist so einfach wie Gurgeln oder Zähneputzen. Man muss es nur bisschen üben. Ich bin der Meinung, dass man das den Menschen auch zutrauen soll", so Kekulé.
Tests vor Familientreffen oder Veranstaltungen "gute Idee"
Natürliche ersetze das nicht die medizinische Diagnose mit den genaueren PCR-Tests. Aber vor einem Familientreffen oder vor einer Veranstaltung sei der Schnelltest eine gute Idee. Das sieht auch der Virologe Christian Drosten so. Derzeit liege die Versorgung mit diesen Tests noch bei den niedergelassenen Ärzten. "Es ist tatsächlich so, dass man im Moment als Arzt sich solche Tests kaufen kann", sagt Drosten. "Ärzte sind in ihren Freundeskreisen in diesen Tagen sehr beliebt, aber jeder hat auch einen Hausarzt. Das ist letztendlich auch die Rolle von Familienmedizin: dass man solche Dinge erleichtert." Das aktuelle Problem der Lieferbarkeit der Antigen-Tests werde sich in den kommenden Wochen verbessern, da ist sich der Virologe sicher.
