Teilhabe gefährdet? Behindertenverbände kritisieren Gesetz
Behindertenverbände befürchten, dass ein neues Gesetz die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung schwerer mache könnte. Bislang können sie sich Hilfsteams selbst aussuchen.
Seit vielen Jahren können sich Menschen mit Behinderung ihre Hilfe selbst organisieren, wenn sie das möchten. Sie erhalten Geld vom Staat und bezahlen damit Assistentinnen und Assistenten, die ihnen im Alltag zur Seite stehen. "Persönliches Budget" heißt dieses Prinzip. In Hamburg haben im vergangenen Jahr knapp 350 Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht - das geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der Linken hervor. Meist nutzen Menschen mit seelischen Behinderungen diese Möglichkeit. Bisher war es egal, ob sie sich von einer ausgebildeten Fachkraft helfen lassen oder einfach von jemandem, dem sie vertrauen.
Stundensatz nur noch für Fachkräfte
Das könnte sich nun ändern. Denn ein neues Bundesgesetz - das Bundesteilhabegesetz (BTHG) - sieht vor, dass nur noch ausgebildete Fachkräfte den vollen Stundensatz erhalten. Ohne Berufsabschluss als Pflegekraft dürfen Assistenten und Assistentinnen maximal noch 15 Euro verdienen. Das geht aus einem Schreiben des Eingliederungsamtes an Betroffene hervor, das NDR 90,3 vorliegt.
Schreiben an den Senat
Selbsthilfevereine befürchten nun, dass Menschen mit Behinderung im Einzelfall deshalb ihr gesamtes Hilfsteam austauschen müssen. Der Verein "Autismus Hamburg" hat sich deshalb mit einem Brief an den Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen gewandt. Es sei zu befürchten, dass mühsam erreichte Teilhabe zunichte gemacht wird, heißt es in dem Schreiben.
Sozialbehörde verspricht Bestandsschutz
Und auch die Hamburger Sozialbehörde hat das Problem erkannt - und verspricht zumindest einen Bestandsschutz. Behördensprecher Martin Helfrich sagte dem Hamburg Journal: "Für Menschen, die gegenwärtig schon eine Assistenz haben, bedeutet das nicht, dass sie die bisherige Assistenz kündigen müssen." Verändert werden müsste erst dann etwas, wenn eine entsprechend aktualisierte Handlungsanweisung vorliege.
Linksfraktion fordert gemeinsame Lösung
Cansu Özdemir, Chefin der Linksfraktion, fordert, dass bei einer Lösung die Betroffenen gehört werden. "Das persönliche Budget war ein Meilenstein für Menschen mit Behinderungen. Betroffene und Verbände müssen bei der Lösung dieses Problems mit einbezogen werden", so Özdemir zu NDR 90,3.
