Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht beim Festakt zum 100. Jubiläum des Hamburger Übersee-Clubs in der Laeizhalle © picture alliance / dpa Foto: Axel Heimken

Steinmeier warnt vor einer Abkehr Deutschlands von der Welt

Stand: 03.07.2022 15:31 Uhr

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Sonntag in Hamburg für ein "Comeback der Freihandelsabkommen" geworben. Dort hielt er anlässlich des 100. Geburtstag des Übersee-Clubs eine Rede.

Angesichts der zahlreichen Krisen in der Welt hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einem Rückzug Deutschlands ins Innere gewarnt. "In einer Zeit, in der einige schon das Ende der Globalisierung prophezeien und andere es herbeisehnen, will ich eines ganz klar sagen: Wir dürfen uns jetzt nicht in den eigenen Hafen zurückziehen, das Tor zur Welt zumauern und von Autarkie träumen", sagte Steinmeier am Sonntag in Hamburg beim Festakt zum 100. Geburtstag des Übersee-Clubs.

Steinmeier: Wohlstand nur als Industrie- und Exportland zu erhalten

Auch in Zukunft gelte: "Wir können unseren Wohlstand nur erwirtschaften, unsere Arbeitsplätze nur erhalten, unseren Sozialstaat nur finanzieren, wenn wir ein Industrie- und ein Exportland bleiben." Dass ein rohstoffarmes Land wie Deutschland zur viertgrößten Wirtschaft der Welt habe aufsteigen können, sei nur durch die Internationalisierung zu erklären, betonte das Staatsoberhaupt vor rund 900 Gästen in der Laeiszhalle.

"Freihandelsabkommen neuen Typs" gefragt

Steinmeier plädierte angesichts der hohen Abhängigkeiten Deutschlands von einigen Ländern für neue Freihandelsabkommen. "Vernetzung ausbauen, Verwundbarkeit abbauen, genau das muss die Maxime unseres Handelns sein und werden", sagte er. Es sei ein Comeback der Freihandelsabkommen nötig. "Freihandelsabkommen neuen Typs müssen Handels- und Nachhaltigkeitspolitik miteinander verschränken." Wenn Deutschland die Globalisierung nicht mit ehrgeizigen Handelsabkommen gestalte, würden andere Länder es mit ihren eigenen, niedrigeren Standards tun, warnte der Bundespräsident.

Mit Blick auf den 1922 gegründete Übersee-Club sagte Steinmeier, dieser erlebe unter dem Druck der aktuellen Ereignisse so etwas wie seine zweite Gründung. "Denn gerade jetzt brauchen wir Foren wie dieses, in denen wir uns orientieren können, wie und mit wem wir die Globalisierung der Zukunft gestalten wollen."

Tschentscher fordert Unterstützung für Häfen

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) erinnerte bei dem Festakt an die Bedeutung der maritimen Wirtschaft beim Handel. "Das gilt für die deutschen Exporte, die zu zwei Dritteln über den Seeweg erfolgen, und es gilt für den Import von Rohstoffen und Waren, die für unsere Unternehmen und das tägliche Leben notwendig sind." Deshalb müssten die norddeutschen Häfen eine große politische Beachtung und Unterstützung haben - in Hamburg und im Bund.

Übersee-Club 1922 gegründet

Der vom Bankier Max M. Warburg gegründete Übersee-Club gilt als eine viel beachtete Denkfabrik, die sich für Demokratie, Toleranz und Völkerverständigung einsetzt. So haben dort laut Übersee-Club alle Bundeskanzler, alle Hamburger Bürgermeister und fast alle Bundespräsidenten Reden gehalten. Insgesamt seien seit 1922 mehr als 1.800 Reden gehalten worden, sagte Übersee-Club-Präsident Michael Behrendt.

Auch Macron gratuliert mit einer Rede

Auch internationale Gäste wie der Ökonom John Maynard Keynes, der Friedensnobelpreisträger Jassir Arafat oder die französischen Präsidenten Charles de Gaulle, Valery Giscard d'Estaing und François Mitterand traten im Club auf. Auch Frankreichs amtierender Präsident Emmanuel Macron gratulierte beim Festakt mit einer Rede, die vom französischen Generalkonsul in Hamburg, Frédéric Joureau, vorgetragen wurde.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 03.07.2022 | 15:00 Uhr

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