120 Jahre Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg
Exotische Mücken, hochgefährliche Viren: Seit 120 Jahren werden am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut Tropenkrankheiten erforscht und behandelt.
"Dieses Bewusstsein, dass man da an etwas Besonderem arbeitet, auch dieser Pioniergeist. Das steckt tief in den Mauern", sagt Deutschlands wohl bekanntester Virologe, Christian Drosten. Der Corona-Fachmann hat mehrere Jahre am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg gearbeitet - erst als Assistenzarzt, dann als Leiter der klinischen Virologie.
Gründung in Zeiten von Cholera
Als das Institut vor 120 Jahren gegründet wird, hat Hamburg gerade die große Cholera-Epidemie erlebt. Der Marinearzt Bernhard Nocht kennt sich mit dieser Krankheit gut aus und wird deshalb aus Berlin nach Hamburg geholt. Später überträgt ihm der Senat den neu geschaffenen Posten des Hafenarztes. Weil mit den Schiffen auch bis dahin unbekannte Krankheiten im Hafen ankommen entsteht die Idee zur Gründung des "Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten".
Bernhard-Nocht-Institut thront am Hafen
Zunächst wird das neue Institut im Seemannskrankenhaus untergebracht - dort, wo heute das Hotel "Hafen Hamburg" steht. 1914 - kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs - ist der Neubau fertig. Das rote Backsteingebäude, das wie ein Schloss über dem Hafen thront, ist nach einem Entwurf des Hamburger Architekten und Oberbaudirektors Fritz Schumacher entstanden.
Bernhard Nocht schreibt damals: "Im dritten Stock befindet sich ein großer fotografischer Arbeitsraum mit geräumiger Dunkelkammer und Nebenräumen, Wohnungen für drei Ärzte oder Medizinalpraktikanten, ein großes Speisezimmer und ein ebenso großes Rauchzimmer für die Mitglieder des Instituts. Und endlich einige dauernd auf tropischer Temperatur gehaltene Mücken- und Schlangenzimmer."
Malaria wichtiger Arbeitsschwerpunkt
Seit der Gründung des Tropeninstituts ist die Infektionskrankheit Malaria ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt. In Kooperation mit afrikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeitet das Institut an der weiteren Erforschung der Krankheit und an neuen Behandlungsmethoden. Im modernen Hochsicherheitslabor in Hamburg wird an hochgefährlichen Lassa- oder Ebolaviren geforscht.
"Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind regelmäßig zum Arbeiten in tropischen Ländern. Das schweißt zusammen", sagt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. So verfügt das Bernhard-Nocht-Institut etwa über ein mobiles Labor, das in kürzester Zeit dort aufgebaut werden kann, wo es gebraucht wird. Beim bislang letzten Ebola-Ausbruch in Afrika mit Tausenden Toten war das mobile Labor im Einsatz. Zurzeit steht es auf Lesbos, um auf der griechischen Insel mit vielen Geflüchteten die Coronalage unter Kontrolle zu bringen.
NS-Zeit: Medikamenten-Tests an Psychiatrie-Patienten
Aber es gibt auch dunkle Flecken in Geschichte des Instituts. Ohne die deutschen Kolonien der Kaiserzeit gäbe es das Tropeninstitut nicht, sagt Markus Hedrich von der Universität Hamburg, der sich mit diesen Zusammenhängen beschäftigt. Und zur Zeit des Nationalsozialismus wird die Ausbreitung des Fleckfiebers im jüdischen Ghetto in Warschau und im KZ Neuengamme erforscht, Malaria-Medikamente werden an Psychiatrie-Patienten in Langenhorn ausprobiert.
Bernhard-Nocht-Institut entwickelt Corona-Tests

Aktuell spielt die Bewältigung der Corona-Pandemie eine große Rolle in der Arbeit des Bernhard-Nocht-Instituts. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln neue Tests. Marylyn Addo, Infektologin am Bernhard-Nocht-Institut, testet am UKE gerade einen Corona-Impfstoff an Freiwilligen.
Wichtige Anlaufstelle für Reisende
Eine wichtige Anlaufstelle für Reisende sind die Reiseberatung und die Ambulanz für Reiserückkehrer. Gerade etwa bei Malaria sei es wichtig, die Symptome zu erkennen und möglichst schnell mit der Behandlung zu beginnen, sagt Michael Ramhardter, der Leiter der klinischen Forschung am Bernhard-Nocht-Institut und der Sektion Tropenmedizin am UKE. "Malaria kann man, wenn die Krankheit früh diagnostiziert wird, zu hundert Prozent heilen. Wenn man zu viel Zeit verstreichen lässt, wird es lebensbedrohlich. Wir haben jedes Jahr Todesfälle, die vermeidbar wären", so Ramhardter.
"Forschen, Heilen, Lehren", dieser Dreiklang, dem sich das Institut bis heute verpflichtet fühlt, geht auf Bernhard Nocht zurück. Weltweit gibt es nur wenige vergleichbare Einrichtungen.
