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Die Kammermusik von Morgen

Dienstag, 21. Juni 2022, 21:00 bis 22:00 Uhr

Nur Premieren, Uraufführungen und Erstaufführungen und sehr viele Aufträge von WDR und Stadt Witten prägen dieses Festival, das der WDR seit 1969 jährlich gemeinsam mit der Stadt Witten veranstaltet. Wir blicken hinter die Kulissen dieser internationalen Kammermusiktage, von denen bis heute wesentliche Impulse in die Szene ausgegangen sind und zeigen die Highlights der diesjährigen Wittener Tage für neue Kammermusik.

Lustvoll spielerisch

Was passiert, wenn zwei Stars der Szene der neuen Musik gemeinsam ein Werk schaffen? Rebecca Saunders und Enno Poppe hatten schon lange vor, ein Stück zusammen zu komponieren. Sie kennen sich gut, nicht zuletzt, weil Enno Poppe die meisten Werke von Rebecca Saunders schon dirigiert hat. Zum Ausgangspunkt ihres gemeinsamen Werkes wurden zwei Stücke, die schon fertig waren: "Schmalz" von Enno Poppe für Geige solo und "Shadow" für Klavier von Rebecca Saunders. Die beiden haben die Musik der bzw. des anderen kommentiert, ergänzt und lustvoll umspielt. "Taste" besticht durch eine große virtuose Leichtigkeit.

Poetische E-Gitarrenklänge

"Mit der Flut treiben, steigen und fallen wie die Flut", kommentiert die Komponistin Lisa Illean aus Australien die Ausgangsidee ihres Stückes "Tiding". Yaron Deutsch hat diese Klänge auf der E-Gitarre mit poetischem Atem durch den Raum fließen lassen. Das Ergebnis klingt wie das Bild, das die Komponistin begleitete: "Manchmal lauschte ich, den Kopf halb untergetaucht, der Welt, die durch das Wasser klang."

Schwarmverhalten bewundert von Sarah Nemtsov

Schon Tage vorher hatten die Musikerinnen des Trio Catch vom Werk geschwärmt, das Sarah Nemtsov für sie geschrieben hat. Das erhöhte die Spannung auf die Uraufführung. "Starlings, Sparrows" - "Glanzstare und Sperlinge" entwickelte ein wunderbares Bild vom Schwarmverhalten der Vögel. Plötzlich wurde alles durch Elektronik ersetzt, die Klarinettistin und die Cellistin hielten elektronische Geräte in den Händen, die Pianistin bediente den Synthesizer. Irgendwie frustrierend. Warum sie die Schönheit erstickte, erzählt die Komponistin Sarah Nemtsov selbst.

Mikel Urquiza im Porträt © Rui Camilo
2022 erhält Mikel Urquiza den Komponistenpreis der Siemens Musikstiftung.
Heulen mit Mikel Urquiza

"Howl" hat Mikel Urquiza sein Stück für 6 Stimmen genannt, das Heulen. Mikel Urquiza hat in diesem Jahr einen der drei Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung bekommen, die mit 35.000 € dotiert sind. Der Komponist aus Spanien schreibt u.a.: "Ich muss heulen. Zu viel Lockdown macht müde. … Außerdem: Der Planet brennt und kein Wecker klingelt. Affen heulen in Urwäldern, die es bald nicht mehr gibt, Bären brüllen auf schmelzenden Eisbergen, zu weit entfernt, um gehört zu werden. Ich werde für sie heulen. … Ich wage es nicht, für die Bedürftigen zu heulen, aber ich heule mit ihnen. Ich heule mit Hupen und Luftschutzsirenen, mit Motoren und Krankenwagen, mit pfeifenden Bomben und allen erdenklichen Explosionen. Ich heule mit dem Klang der Städte, ihr Schnurren ist mechanisch und sie haben verlernt, animalisch zu sein: wild, zärtlich, fürsorglich. Jedes Geräusch, das ich in die Stimme hole, wird Stimme - ich möchte glauben, dass die Städte, von menschlichen Stimmen gesungen, wieder menschlich werden können." Mikel Urquiza, Programmbuch der Wittener Tage für neue Kammermusik 2022.

Brutalität und Zärtlichkeit bei Milica Djordjević

Im Focus der Wittener Tage für neue Kammermusik stand in diesem Jahr Milica Djordjević, sie ist 1984 in Belgrad in Zeiten des Krieges geboren und aufgewachsen. Sie schreibt Musik voller Brutalität und Energiewellen, wie "transfixed" - "durchstochen" und überraschte in diesem Jahr besonders mit einem poetischen Werk für Kammerorchester "O drveću, nežnosti, Mesecu... (von Bäumen, Zärtlichkeit, Mond...)".

Helmut Lachenmann Uraufführung

Ich möchte behaupten: keine anderen Musikerinnen hätte dieses Streichtrio Nr. 2 von Helmut Lachenmann (inzwischen 86 Jahre alt) zum Leben erwecken können!  Trio Recherche lebt seit Jahrzehnten mit den Werken von Helmut Lachenmann, kennt die DNA seiner Musik und hat intensiv auch dieses Mal mit dem Komponisten zusammengearbeitet, jedes Detail durchleuchtet, nichts, aber auch gar nichts dem Zufall überlassen und dann im Moment der Aufführung mit Spielfreude überzeugt. Und nur so konnte es gelingen, dass das Streichtrio Nr. 2 nicht auseinanderfiel: durch die starke Präsenz und gleichzeitige Zurücknahme von Melise Mellinger, Violine, Geneviève Strosser, Viola und Åsa Åkerberg, Violoncello.

Die Expedition beginnt mit Sarah Maria Sun

Ein Chamäleon sitzt der Sopranistin auf dem Cover einer ihrer CDs auf der Schulter und so eine farbenfrohe Verwandlungskünstlerin ist sie selbst, mit Leidenschaft und Überzeugungskraft. Auf ihre Kunst der Farbgebung und die Grenzenlosigkeit ihrer fantasievollen Gestaltung setzt Enno Poppe mit seinen Miniaturen auf Gedichte von Else Lasker-Schüler, und die, so schreibt der Komponist, sind "leicht und knapp, präzise und humorvoll".

Wir zeigen die Highlights der Wittener Tage für neue Kammermusik mit Hintergründen und Interviews.

Eine Sendung von Margarete Zander.

 

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Neben einem Schallplattenspieler liegen Kopfhörer. © Photocase Foto: cosendolas

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Die Sendung informiert über aktuelle Trends und Renaissancen in der zeitgenössischen Musik, präsentiert Komponistenporträts, Festivalberichte, CD-Tipps und mehr. mehr

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