NDR Radiophilharmonie
Donnerstag, 02. Dezember 2021, 20:00 bis
22:00 Uhr
Während des Ersten Weltkriegs hielt sich Strawinsky im Schweizer Exil auf, ohne Aufträge, ohne Einkünfte und mit nur wenigen Auftrittsmöglichkeiten, denn die großen Theater waren geschlossen. "Ich stand also, mitten im Kriege und in einem fremden Lande, dem Nichts gegenüber", stellte der Komponist fest. Doch dann stießen er und der Dichter Charles Ferdinand Ramuz auf ein altrussisches Märchen, aus dem sie ihre "Geschichte vom Soldaten" entwickelten. Sie handelt von einem Soldaten, der dem Teufel für ein Buch, das die Zukunft voraussagt, seine alte Geige und damit auch seine Seele verkauft. Er wird zwar reich, aber nicht glücklich. Und weil Not erfinderisch macht, wurde Strawinskys "L’histoire du soldat" ein Bühnenstück für eine Wandertruppe mit einem Erzähler und einem kleinen Instrumentalensemble, "zu lesen, zu spielen, zu tanzen".
Ein Gesamtkunstwerk en miniature
Doch so minimalistisch die Umstände auch waren, so vielfältig und effektvoll komponierte Strawinsky die Musik. Die beiden Streicher, die vier Bläser und der Schlagzeuger werden hier zur schmissig bis grotesk aufspielenden Jazz-Kapelle. Der Erzähler trägt den Text rhythmisch deklamierend, teils in Gedichtform vor. Dabei nimmt er verschiedene Rollen ein, kommentiert und greift in das Geschehen ein. So entsteht ein spannungsreiches Wechselspiel von Sprache und Musik - was damals neu und einzigartig war. Letztendlich schrieb Strawinsky also mit diesem aus der Not geborenen Stück Musikgeschichte.
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