NachGedacht: Heiliger Klingklang! Kunst, Klima und Kartoffelpüree
Da haben wir mal ein saftiges Thema: Junge Leute werfen Tomatensuppe auf van Gogh und Kartoffelpüree auf Monet. Kluger Klima-Aktivismus? Ulrich Kühn ist in seiner Kolumne eher enttäuscht.
Kunst war immer schon Aktivismus und Avantgarde. Klar, es gibt auch konservative Kunst und sogar konservative Künstler: Denken Sie nur an Thomas Mann, im Auftritt stets der perfekte Bürger und auch vorbildlich diszipliniert. Allerdings wusste er zutiefst, wie verdächtig seine Künstlerexistenz den braven Bürgersleuten sein musste, sein Dasein als freier Geist, der schriftstellerisch so begnadet war, dass ihm sogar ein Text wie "Bruder Hitler" gelang.
Dieser konservative Bildungsbürgerkünstler Thomas Mann und, nur als Beispiel, der konservative Privatpilot Friedrich Merz: Das soll irgendwie zusammenpassen? In Wahrheit ist Konservatismus eine komische Kategorie, wenn es um die Künste geht. Der Kunst steckt das Schaffen in den Kleidern, also das Neumachen und Zerstören, das Entwerfen und Verwerfen, das Schreiben und Überschreiben. Wer heute feierlich von Innovation spricht, ahnt kaum, was das Wort bedeutet hat. Die künstlerische Avantgarde hat es vor über hundert Jahren vorgemacht: Das war Innovation! Und allemal war es Aktivismus: Lebensveränderung war das Ziel.
Die Wahrheit ist leider noch schlichter
Und jetzt also Suppe auf van Gogh und Kartoffelpüree auf Monet. Und wieder diese Motivation, Anklage eines Lebensstils. Diesmal geht es um den Planeten, um unsere Lebensgrundlagen. Ist das also nicht Performance-Kunst, die avantgardistischer nicht sein könnte? Muss nicht alle Welt applaudieren?
Stattdessen Tamtam und Alarmgeschrei: Verzweifelte junge Leute zielen ignorant auf die Werte der Kunst, die dringend bewahrt werden müssen. Ja, rufen die Befürworter, ist es nicht irre spießig, sich darüber aufzuregen? Wenn der Planet erst kaputt ist, gibt es doch auch keinen Monet mehr, oder? Und van Gogh, der hat sich sogar ein Ohr abgeschnitten, so einer wäre begeistert von den Suppenwürfen. Es ist, sagen die Befürworter, wahrhaft künstlerische Kritik am Klimakapitalismus, in Potsdam Püree auf Monet zu schütten! Immerhin hat sich ein Milliardär, Mitgründer und Ex-Vorsitzender eines großen Software-Unternehmens, die Kunst fürs Museum Barberini kapitalistisch zusammengekauft.
Was wäre es schön, wenn die Sache so einfach wäre. In Wahrheit ist sie leider noch einfacher. Deshalb sind diese Aktionen nicht schlau. Es liegt nicht an giftigen Dämpfen im Sekundenkleber, mit dem sich die Aktivisten ins Museum heften, es liegt am Motiv bei der Zielauswahl. Warum ausgerechnet van Goghs "Sonnenblumen"? Die ZEIT hat die Suppenwerfer danach gefragt. Und ihre Antwort hieß: "Der wichtigste Grund war, dass das Bild so ikonisch ist. Jeder kennt es."
Nicht Klimarettung durch Kunst: Pürierte Gegenwartssuppe
Worum geht es also? Maximierung der Aufmerksamkeit, die Währung unsrer verhuschten Ära. Wenn es aber zuletzt egal ist, ob Suppe vom konservatorisch aufbewahrten van Gogh tropft oder, nur als fiktives Beispiel, vom Antlitz des konservativ gesinnten Herrn Merz, weil zuletzt doch immer Aufmerksamkeit das Ziel ist - dann zerrinnt die Begründung für die Auswahl der Gemälde als Ziel genauso unappetitlich wie das fadendünne Püree von Potsdam. Die Gemälde sind weltberühmt und waren als Ziel leicht zu haben. Sie gehen ja auch nicht vor die Hunde, sie sind durch Glas geschützt, es bleiben nur Spuren am Rahmen.
Nur: Wie soll diese dünne Protestsuppe dem Klima helfen? Wer fühlt sich denn dadurch zum Handeln gedrängt? Bilderstürmer früherer Zeiten waren furchtbar konsequent, das wünscht sich niemand zurück. Aber der aktuelle Pseudo-Bildersturm ist ein fadenscheiniges Säuseln im allgemeinen Empörungsrauschen. Das ist nicht Klimarettung durch Kunst, das ist nur pürierte Gegenwartssuppe.