Sendedatum: 05.07.2013 15:20 Uhr

Modern und aufgeklärt

"Den Islam neu denken" heißt das neue Buch der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Wir sprechen mit ihr über gängige Klischees und die Angst vor dem Islam.

NDR Kultur: Frau Amirpur, Ihr Buch "Den Islam neu denken" trägt den Untertitel "Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte". Jetzt ist ja der Begriff Dschihad in der westlichen Welt eher negativ besetzt. Warum haben Sie sich trotzdem für diesen Begriff entschieden?

Katajun Amirpur © Georg Lukas Foto: Georg Lukas
Prof. Katajun Amirpur: "Man kann sich sehr gut als Muslim authentisch fühlen und trotzdem als gläubiger Muslim."

Katajun Amirpur: Ich wollte damit durchaus ein bisschen provozieren. Mir ist klar, dass der Begriff so negativ besetzt ist, aber er meint eigentlich nicht so etwas Negatives. Er kann natürlich auch den bewaffneten Kampf bedeuten, aber meistens wird er eigentlich verwandt, um einen eher "nichtmilitärischen Kampf" zu bezeichnen. Es kann also auch der Kampf gegen den inneren Schweinehund sein und natürlich auch der Einsatz für Menschenrechte und für Frauenrechte. Und in dieser Bedeutung wollte ich den Begriff etablieren.

NDR Kultur: Demokratisch, liberal, Gleichberechtigung für Männer und Frauen: Welche Chancen hat denn so ein Reform-Islam in der Realität?

Amirpur: Nun, das kann man so insgesamt nicht beantworten. Das hängt natürlich sehr stark von den einzelnen Ländern ab. Aber ich glaube, das Problem ist eben nicht der Islam dabei. Das ist eigentlich das, was ich zeigen wollte. Man kann den Islam durchaus neu denken, deswegen auch die Wahl des Titels. Man kann sich sehr gut als Muslim authentisch fühlen und trotzdem als gläubiger Muslim. Und es ist eher eine Sache der politischen Systeme, was die Menschen daraus machen. Mit dem Islam an sich, hat das wenig zu tun, ob man nun in einem demokratiefreundlichen Staat lebt oder unter einer Diktatur. Es sind politische Systeme. Aber der Islam ist sehr offen und sehr flexibel für sämtliche Versuche.

NDR Kultur: Was die Menschen aus dem Islam machen, das gilt ja auch für den Koran. Wie wird der Koran gelesen? Der Koran an sich, das ist mir jetzt auch deutlich geworden durch die Lektüre dieses Buches, ist ja eigentlich gar nicht frauenfeindlich, wird aber teilweise so interpretiert. Wie kommt das?

Amirpur: Ich glaube, dass sehr viele Menschen den Koran mit einer ganz bestimmten Brille gelesen haben. Die Texte an sich sind nicht frauenfeindlich, aber man kann sie natürlich mit einer solchen Brille lesen. Wenn der Interpret frauenfeindlich ist, dann fließt das in die Interpretation ein. Und jetzt gehen Frauen eben verstärkt hin und lesen den Text selber, schauen sich an was da drin steht und da kommen dann ganz andere Dinge bei heraus. Die Frauen stellen fest: Mein Gott, das ist doch gar nicht der Text der so ist, sondern das sind überlieferte Traditionen, das ist ein patriarchalisches Gedankengut, was sich immer weiter fortgesetzt hat. Aber das Buch an das ich glaube, ist ja eigentlich gar nicht so.

NDR Kultur: Sie sind selbst Iranerin, Sie sind Schiitin. Hat sich diese Denkart dieses liberalen Bildes schon in Ihrer Heimat durchgesetzt?

Amirpur: Auf keinen Fall. Gerade die Islamische Republik Iran ist ja ein hervorragendes Beispiel für eine sehr restriktive Islamdeutung. Aber es gibt eben auch Theologen und Denker, die das ganz anders sehen. Zwei von denen stelle ich vor in dem Buch. Das ist nicht gerade Mainstream, es ist nicht der "Herrschaftsislam", der so ist wie diese beiden dort vorgestellten Denker. Im Gegenteil: Von der herrschenden Klasse wird ein sehr restriktiver Islam vorgestellt, aber viele beweisen auch, dass es einen anderen gibt.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 05.07.2013 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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