Wachsam, laut und gemeinsam!
Mehr Vielfalt im Feminismus
Der Internationale Frauentag am 8. März hat eine lange Tradition. Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche Frauen weltweit auf die Straße gehen, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Eine von ihnen ist die Hamburger Journalistin und Netzaktivistin Kübra Gümüsay. Denn sie ist überzeugt: Es ist heute wichtiger denn je, für mehr Gleichberechtigung und gegen Rassismus zu kämpfen.
Ein Kommentar von Kübra Gümüsay
Eine Gesellschaft, die Vielfalt hochhält und lebt, stellt Ansprüche an jene, die sie mitgestalten. Und sie ist damit eine Herausforderung - auch für soziale Bewegungen wie den Feminismus. Wie verändert sich der Feminismus in einer pluralen und vielfältigen Gesellschaft wie der unseren? Wie kann er beispielsweise die Bedürfnisse einer geflüchteten, muslimischen Frau ohne Bildungsabschluss verbinden mit denen einer gutsituierten Frau in einem DAX-Vorstand?
Während es der einen Frau um Gleichberechtigung in Führungspositionen geht, kämpft die andere eventuell darum, überhaupt hierzulande zu arbeiten, als eigenständiger, selbstständiger, ja gar denkender Mensch anerkannt zu werden.
Frauen in Deutschland sind vielfältig, ihre Erfahrungen sind es auch - ebenso wie die Hürden und die Gewalt, die sie erfahren. Wenn es aber eine feministische Bewegung nicht schafft, auch religiöse Frauen, Frauen mit Migrationshintergrund, Arbeiterfrauen oder Frauen mit Behinderung mitzunehmen, für wen steht sie dann noch? Ist das dann noch eine feministische Bewegung? Oder nicht vielmehr eine Bewegung weißer, bürgerlicher, akademischer Frauen ohne Behinderung?
Perspektive wechseln
Auch wenn es im ersten Moment nicht so scheint: All diese Lebenswelten lassen sich durchaus miteinander verbinden. Zumindest dann, wenn man unsere Gesellschaft aus einer sogenannten intersektionalen Perspektive betrachtet: das heißt, den Anspruch hat, die unterschiedlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft mitzudenken. So ist der Sexismus, den eine jüdische Frau erlebt, anders, als der einer schwarzen Frau.
Und in genau so einem Feminismus fühle ich mich beheimatet - als Frau, Mutter, antirassistische Aktivistin und gläubige Muslimin. Deutschland ist ein multikulturelles, multireligiöses, multiethnisches Land. Daher brauchen wir einen Feminismus, der auch diese Vielschichtigkeit vertritt.
Die Zeit drängt
Ist dieser Anspruch nun ein Bruch der jungen Feministinnen mit den älteren? Nein. Sondern ein Bruch mit jenen, die den Rassismus in unserer Gesellschaft weiterführen. Für viele meiner Generation war die deutsche Emanzipationsbewegung stets verbunden mit einer Stimme: der von Alice Schwarzer. Erst im Laufe der Jahre entdeckte ich die unterschiedlichen Gruppierungen und stellte fest: Zahlreiche ältere Frauen, von denen ich viel lernte und immer noch lerne, stimmen den Ansprüchen junger Feministinnen wie mir nicht nur zu, sondern versuchten sie bereits umzusetzen, lange bevor ich geboren wurde.
Heute drängt es mehr denn je. Wir stehen vor großen Herausforderungen: extremistische Bewegungen, ein erstarkender Rechtspopulismus, sexistische und rassistische Menschenbilder, die wieder an Popularität gewinnen. Doch ich bin trotz alledem hoffnungsvoll gestimmt. Denn diesen Entwicklungen stehen immer mehr starke und ganz unterschiedliche Frauen und Feministinnen gegenüber - wachsam und laut. Gemeinsam.
