Vor dem Tag der Offenen Moschee
Am 3. Oktober wird nicht nur der "Tag der deutschen Einheit" gefeiert, sondern auch der "Tag der offenen Moschee". Bundesweit öffnen Muslime einmal im Jahr ihre Gebetshäuser und laden Interessierte ein, sich ein Bild von ihrer Religion zu machen. Die meisten Moscheen in Deutschland gehören zum türkischen Verband DITIB, der in jüngster Zeit wegen seiner Nähe zur Regierung in Ankara in die Kritik geraten ist.
"Hier sehen wir den Vorhof der Moschee, hier haben wir Zelte, damit die Raucher auch ihre Raucherpausen machen können." Tahsin Cem führt über das weitläufige Gelände der Eyüp-Sultan-Moschee in Norderstedt. Der 45-Jährige gehört dem Vorstand des Moscheevereins an, ehrenamtlich. Die eigentliche Moschee ist von außen als solche kaum zu erkennen: so eine Art langgestrecktes Bauernhaus mit einer Teestube im Parterre und dem Gebetsraum im ersten Stock. Er kann, obwohl er groß ist, die bis zu 1.200 Männer, die zum Freitagsgebet kommen, kaum fassen: "Freitags ist volles Haus", erzählt Tahsin Cem. "Der Gebetssaal ist dann voll bis hinten. Unten, in der Teestube, sind dann auch alle Plätze belegt. Wir müssen draußen Teppiche auslegen, damit die Moscheebesucher einen Platz zum Beten finden."
An der Wand sitzt ein Mann, vertieft in den aufgeschlagenen Koran. Er ist aus Syrien geflüchtet, genauer gesagt aus Aleppo, wo in diesen Tagen die noch verbliebene Zivilbevölkerung einem grausamen Bombardement ausgesetzt ist. Darunter seine Frau und seine Tochter: "Ich bin Arzt", erzählt er. "In Aleppo wurde meine erste Praxis zerstört, also habe ich eine andere Praxis eröffnet. Aber auch diese, und sogar eine dritte, wurden zerstört. Auch das Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe, wurde vor drei Jahren von einer Autobombe zerstört. Also bin ich hierher gekommen."
Kritik an der deutschen Politik
An diesem Abend, einem Wochentag, versammeln sich etwa zehn Männer zum abendlichen Gebet. Selim Yaziyim, der das Gebet leitet, amtiert erst seit drei Wochen hier. Der Imam wurde von der Religionsbehörde Diyanet aus der Türkei geschickt und wird maximal fünf Jahre bleiben. Er kommt in einer Zeit, in der die DITIB, eine Schwester des staatlichen türkischen Religionsministeriums Diyanet, im Ruf steht, der verlängerte Arm des umstrittenen Präsidenten Erdogan zu sein. Die gegenwärtigen Konflikte zwischen Deutschland und der Türkei sind ein ständiges Gesprächsthema, auch bei den Männern, die hier zusammen sitzen. Sie üben heftige Kritik an der deutschen Politik, etwa an der Armenien-Resolution des Bundestages: "Warum gerade jetzt", fragt einer von ihnen. "Das ist den deutschen Politikern seit 100 Jahren bekannt."
Hier sind sich alle einig. Die meisten Deutschen würden sich kaum bemühen, die Türken zu verstehen; Türken seien für viele deutsche Bürger Menschen zweiter Klasse. "Wir haben den Vorteil, dass wir das beidseitig sehen", erklärt einer der Männer. "Wir lesen deutsche und türkische Zeitungen. Oder wir hören oft von unseren Verwandten und Bekannten, was in der Türkei passiert. Und Deutschland ist nur einseitig - und so wird es auch in der Presse veröffentlicht."
"Wir freuen uns auf jeden Besucher"
Das gute nachbarschaftliche Verhältnis zu den Deutschen nehmen sie ausdrücklich aus. Und so sehen sie auch dem 3. Oktober gelassen entgegen, an dem, wie in jedem Jahr, auch in dieser DITIB-Gemeinde in Norderstedt der "Tag der offenen Moschee" begangen wird. "Die Frauen, die im Hintergrund fleißig mitarbeiten, werden uns an diesem Tag mit ihren Koch- und Backkünsten verzaubern", freut sich Tahsin Cem. "Wir werden natürlich auch versuchen, auf die Gesamtsituation, 3. Oktober, einzugehen und freuen uns, dass wir an diesem Tag auch Teil Deutschlands, Norderstedts, Schleswig-Holsteins sind und freuen uns auf jeden Besucher, der zu uns kommt."
Dass es weniger Leute sein werden, als in den vorigen Jahren, glaubt Tahsin Cem nicht. Es kämen immer zwischen 40 und 100 Besucher. Dabei spiele das politische Klima eine viel geringere Rolle als die Frage, ob es ein langes Wochenende ist oder nicht.