Vertrag mit den muslimischen Verbänden: Letzte Hürden
Die norddeutschen Bundesländer sind bundesweit Vorreiter in Sachen Vertrag mit den muslimischen Verbänden. Hamburg war das erste Bundesland, vor zwei Jahren folgte Bremen. In Schleswig-Holstein wird noch verhandelt und in Niedersachsen sollte die Vereinbarung eigentlich schon längst unterschrieben sein. Doch immer wieder gibt es Diskussionen.

Ein Kritikpunkt, der vermehrt zu hören ist: Wie steht es um die Gleichberechtigung? Neben CDU und FDP, den Oppositionsparteien im niedersächsischen Landtag, sowie den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten haben auch die Kirchen kritische Fragen an den Vertragsentwurf gestellt.
Andrea Radtke ist Geschäftsführerin der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Sie vermisst, beispielsweise bereits in der Präambel, klare Bekenntnisse zu den Wertegrundlagen, insbesondere zu der Gleichberechtigung von Mann und Frau: "Wir glauben, dass gerade vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen nach Köln oder auch um den Raum der Stille an der Technischen Universität Dortmund eine breitere Akzeptanz erreicht werden würde durch diese Verträge, wenn sie hier klare Bekenntnisse, wie in Hamburg, auch aufnehmen."
Bekenntnisse, die überflüssig seien, meint dagegen Norbert Müller von der Hamburger Schura. Müller hat vor gut drei Jahren den Vertrag mit den muslimischen Verbänden in der Hansestadt mit ausgehandelt: "Dahinter steckt ein grundsätzliches Ressentiment: (…) dass man sagt: Diejenige, die ein Kopftuch trägt, kann keine selbstbewusste, emanzipierte Frau sein."
Auch Yilmaz Kilic, der Vorsitzende der DITIB in Niedersachsen und Bremen, kann die Kritik an der mangelnden Gleichberechtigung nicht nachvollziehen. Aber er habe nichts dagegen, in der Präambel des Vertrages noch einmal darauf hinzuweisen: "Wenn es daran scheitert, dann können wir auch darüber sprechen. Aber wer seit über 50 Jahren in Deutschland lebt, der hat die Verfassung schon richtig verstanden."
Gebetsräume - wichtig oder überflüssig?
Ein anderer Diskussionspunkt sind Gebetsräume an Schulen und Universitäten. Die Befürchtung: Diese Räume könnten von Muslimen, und zwar von männlichen, quasi okkupiert werden. "Wir sind für solche Räume der Stille", plädiert Radtke. "Uns ist klar, dass die Schulen hierzu nicht verpflichtet werden können. (…) Solche Räume der Stille müssten für alle offen sein: Schüler, Schülerinnen, Studenten, Studentinnen, in gleicher Weise für alle Religionen, auch für Schüler, die keiner Religion angehören."
Das sei auch die Position der muslimischen Verbände, sagt Kilic: "Wir wollen, dass die jungen Menschen nicht irgendwo unter einer Treppe oder in einer Besenkammer beten. Wir wollen, dass sie mitten in der Gesellschaft stehen. Wir wollen wissen, was die jungen Leute machen."
Allerdings solle man die Bedeutung dieser Räume nicht zu hoch hängen, warnt der Muslim Norbert Müller. Im Hamburger Staatsvertrag tauche so etwas gar nicht auf: "Es wäre nett, wenn es so etwas gibt - aber damit kann so etwas nicht stehen oder fallen."
Von hohem symbolischen Wert
Aus muslimischer Sicht seien die Erfahrungen mit dem Vertrag in Hamburg nur positiv, findet Müller: "Es hat ein Mehr an Anerkennung gebracht. Man kann zwar sagen, dass vieles symbolisch ist, aber gerade diese Symbolik ist in der allgemeinen gesellschaftlichen Situation von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil wir als muslimische Religionsgemeinschaften über den Staatsvertrag auf dieser Ebene eine Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften, also den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde, erhalten haben."
So auch in Bremen. Trotz einiger Bedenken der Oppositionsparteien und handwerklicher Fehler im Vertragsentwurf hofft der DITIB-Vorsitzende Yilmaz Kilic, dass die Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den muslimischen Verbänden noch vor der Sommerpause und damit vor den Kommunalwahlen im September unterschrieben werden kann: "Wenn ein guter Wille da ist, dann muss das eigentlich zu schaffen sein. Ich denke, es ist auch ein großes Zeichen an die Muslime: Herzlich Willkommen, ihr gehört zu Niedersachsen, ihr seid Teil unserer Gesellschaft. Und da sollten wir nicht parteipolitisch denken, sondern gesellschaftlich und sagen: Das machen wir jetzt endlich mal."
