Rechtspopulismus - Wir Muslime sind gefordert!
Die rechtspopulistischen Parteien sind im Aufwind in Europa. Auch in Deutschland sitzt die AfD nun im Bundestag. An diesem Wochenende findet in Hannover der Bundesparteitag der AfD statt. Doch auch mehrere Demonstrationen und Protestveranstaltungen sind geplant. Mit dazu aufgerufen hat u.a. der Zentralrat der Muslime. Eine Frage stellt sich mehr denn je: Wie am besten umgehen mit der umstrittenen Partei?
Ein Kommentar von Canan Topçu
Ich hoffe nur eines: dass sich die Hardliner nicht durchsetzen werden auf dem Bundesparteitag der AfD in Hannover. Dann nämlich driftet diese Partei völlig nach rechts ab und hetzt schlimmstenfalls noch mehr - gegen Geflüchtete und gegen Muslime.
Rechtspopulisten, die von "Umvolkung" schwadronieren und Szenarien der Islamisierung Deutschlands entwerfen, lösen sich leider nicht in Luft auf. Auch wenn man noch so sehr hofft und betet: Sie machen weiter mit Hetze, Provokation und Tabu-Brüchen. Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass sich etliche Bürger dieses Landes mit der AfD-Politik durchaus anfreunden können. Keine Frage: Nicht alle AfD-Wähler sind Rassisten. Es gibt viele verunsicherte Menschen. Sie haben dieser Partei ihre Stimme gegeben, weil sie die Stimmung im Land als bedrohlich und ungerecht empfinden.
Wir Muslime sollten das eigene Verhalten hinterfragen
Unabhängig davon, ob diese Sorgen berechtigt sind oder nicht: Darüber hinwegsehen sollten auch wir Muslime nicht. Darauf warten, dass sich die Situation entspannt, reicht nicht. Auch allein darauf zu hoffen, dass sich die AfD in den Parlamenten politisch selbst zerlegt, wird nicht helfen. Wir sind ebenfalls gefordert. Denn es gibt darüberhinaus auch für Muslime hierzulande Möglichkeiten, den rechtspopulistischen Scharfmachern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine davon ist, das eigene Verhalten mehr als bisher zu hinterfragen und zu prüfen.
Ist es derzeit wirklich sinnvoll, dass muslimische Studierende einen eigenen Gebetsraum an der Hochschule fordern? Sorgt es tatsächlich überall für mehr Dialog, wenn Ramadan-Feste und Gebete im öffentlichen Raum stattfinden? Muss in einem Stadtteil, in dem Anwohner protestieren, wirklich immer eine Moschee gebaut werden? Wer gewinnt wirklich, wenn für die Befreiung vom Schwimmunterricht prozessiert wird? Und warum sollen Mädchen im Grundschulalter ein Kopftuch tragen?
Sich zurücknehmen, bedeutet nicht, klein beizugeben
Anspruch auf etwas zu haben, muss doch nicht darin münden, dieses Recht auch stets einzufordern - vor allem dann nicht, wenn es die Stimmung vor Ort nicht hergibt. Das Recht auf seiner Seite zu wissen, muss doch nicht bedeuten, darauf permanent offensiv zu pochen und es beim kleinsten Widerstand auch einzuklagen. Ich weiß: Diese Position wird etliche Muslime empören. Mit meinem Appell zu mehr Rücksichtnahme und zum begründeten Zurückschrauben von Forderungen im Einzelfall mache ich mir keine Freunde in den muslimischen Communities. Ganz bestimmt wird mir billige Anbiederung unterstellt. Aber bei all den Debatten um unsere Rechte rückt etwas in den Hintergrund, um das es im Glauben doch gehen sollte: Spiritualität!
Wer meinen Appell als Anbiederung deutet, versteht nicht, worum es mir geht: Muslime sollten sich nicht nur als Objekt und Opfer, sondern auch als Subjekt wahrnehmen - und verantwortlich handeln! Das heißt vor allem: sich nicht allein auf die eigenen Interessen konzentrieren, sondern diese im Kontext des gesellschaftlichen und politischen Klimas überdenken. Sich zurücknehmen, das bedeutet keineswegs, klein beizugeben. Es ist eine weitherzige Geste.
Einen Beitrag zur Bekämpfung von Rechtspopulisten und Rechtsradikalen können wir leisten, wenn wir generöser werden und auch, indem wir die Extremen in den eigenen Reihen vehementer zur Mäßigung animieren. Schaffen wir das?
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