Projekt in Lingen: Junge Muslime und Polizisten bauen Vorurteile ab
Ziel des Projekts "Gemeinsam Sicherheit schaffen" ist es, junge Muslime und Polizisten zusammen zu bringen - durch gemeinsame Aktivitäten wie Klettern, Wandern oder Grillen, um so Stereotype abzubauen.
Vorurteile und Ängste können Mauern zwischen Menschen errichten. In Lingen haben muslimische Jugendliche und Polizisten beschlossen, diese Mauern niederzureißen. Dazu arbeitet die Muslimische Jugendcommunity Osnabrücker Land (MUJOS) e.V. mit der Polizeidirektion Osnabrück zusammen.
Aussprache bei Würstchen und Salat
Am Ufer der Ems in Lingen schieben junge Menschen Tische zusammen: Polizisten und muslimische Jugendliche bereiten in kleinen Gruppen Salate vor - während auf dem Grill die ersten Würstchen brutzeln. Mittendrin Dua Zeitun, Koordinatorin der muslimischen Jugendcommunity im Osnabrücker Land. Sie erzählt, was sie beschäftigt: "Ich glaube, dass bei einigen Jugendlichen dieses Verständnis fehlt: Was ist die Rolle der Polizei? (…) Es kommt vor, dass sie mir Videos schicken, wo Polizeigewalt auf Demonstrationen gezeigt wird. Sie fragen mich, ob das ein Polizist darf. Sie sind frustriert. Ich versuche dann, den Menschen zu beruhigen. Das seien Momentaufnahmen. Natürlich sei das nicht okay, aber wir wüssten ja auch nicht, was vorher passiert ist."
Muslima Jasmin beobachtet, dass viele Freunde oder Bekannte der Polizei misstrauen. Das findet sie schwierig: "Viele sagen: Die Polizei will uns gar nicht mehr, die sind alle für Israel, die sind alle so und so. Ich finde das kritisch, wenn man die Polizei als Täter sieht, weil das nicht so ist."
Rachat ergänzt: Manchmal seien es auch einfach die negativen Erfahrungen aus anderen Ländern, die das Vertrauen in Polizisten ganz allgemein erschüttern: "Da das Projekt aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht, ist das vielleicht so, dass einige im eigenen Land schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und das dann mitgebracht haben und die Angst schon von klein auf mitbekommen haben."
Interkulturelle Lücken schließen
Beim Grillen treffen die jungen Muslime auf Polizisten wie Rebah - und können direkt ihre Fragen loswerden. Zum Beispiel: "Trägst du das Kopftuch freiwillig?" Oder auch: "Habe ich als Migrant überhaupt eine Chance bei euch - bei der Polizei?"
Rebah, ein 34-jähriger Polizist mit türkisch-kurdischem Hintergrund, brät die Würstchen. Er fährt in Papenburg Streife und erzählt von seinen eigenen Erfahrungen: "Ob ich schon mal rassistisch angegangen wurde im Dienst? Des Öfteren, klar. Da kommen schon mal Fragen wie: 'Sowas wie dich lässt man zur Polizei?' Zu bestimmten Zeiten hätte es das nicht gegeben. Das geht bei mir mittlerweile rechts rein und links wieder raus. Da braucht man schon ein dickes Fell."
Sein Appell an die jungen Muslime: "Wir brauchen Menschen (bei der Polizei) mit diesem Background wie bei mir. Ich spreche türkisch und kurdisch - das ist sehr deeskalierend in einigen Situationen. Leider Gottes haben wir sehr viele Mitbürger, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Und diese interkulturellen Gaps werden dadurch geschlossen."
"Es gibt kein Wir und kein Ihr"
Gesellschaft zusammenführen und engagiert sein, das ist Koordinatorin Dua Zeitun wichtig. Sie hat in den letzten acht Jahren mehr als 300 muslimische Jugendliche begleitet. Bei all den Unterschieden, die hier beim Grillen zwischen den Polizisten und den muslimischen Jugendlichen diskutiert werden, ist ihr eine Botschaft besonders wichtig: "Es gibt kein Wir und kein Ihr - wir sind eine vielfältige Gesellschaft, mit verschiedenen Kulturen. Das macht Vielfalt aus."
Am Ende des Tages kommen alle noch einmal in einer großen Runde zusammen. Es wird gelacht, und zum Nachtisch gibt es Baklava. Die Teilnehmer strahlen zufrieden: "Die Polizisten waren sehr nett. Das habe ich so eigentlich nicht erwartet, und das fand ich super toll", sagt eine von ihnen. Dua Zeitun fügt hinzu: "Ich bin begeistert, vor allem über die Reflexion mancher Jugendlichen, die Vorurteile hatten und nicht unbedingt kommen wollten. Den Mut aufzubringen, sich darauf einzulassen und dann mit einem positiven Gefühl nach Hause zu gehen - besser kann es nicht werden."
Differenzen ansprechen, das ist für die Runde wichtig. Denn so könne demokratisches Miteinander gelebt werden. Und das beginnt oft mit einem einfachen Gespräch am Grill.