Hass im Netz: Wie kann man sich wehren?
Hassreden im Internet nehmen zu. Gerade auch, wenn es um das Thema Islam geht. Das Zentrum für Islamische Theologie in Münster probiert nun etwas Neues aus und bietet die Forschungswerkstatt "Salam-Online" an. Die wendet sich insbesondere an zukünftige muslimische Religionslehrer. Sie sollen lernen, wie sie ihre Schüler in der Auseinandersetzung mit Online-Hetze stärken können.
"Ab 2013 hieß es dann: 'Du Heuchler, Murtad, lauf mir mal über den Weg.' Ich habe kein Problem, mich damit auseinanderzusetzen, aber die Hassrede hat mir meine Lebensenergie geraubt", resümiert Dominic Musa Schmitz. Er ist einer der bekanntesten Aussteiger aus der deutschen salafistischen Szene. Früher hat er selbst mit seinen Kommentaren und Video-Clips Hass im Internet verbreitet. Nun kämpft er dagegen und engagiert sich in der Präventionsarbeit, in Schulen etwa. Für die Teilnehmer des Seminars "Salam-Online" ist er eine Art "Zeitzeuge" und Experte zugleich. Auch für die 28 Jahre alte Nazan Cadirgi, die in einem Gymnasium u.a. Islamunterricht gibt: "Speziell als Religionslehrerin war es für mich wichtig, herauszufinden, welche Art von Rhetorik, medialen Mitteln und Argumenten die Salafisten benutzen, um Jugendliche anzuziehen. Warum können sie diese Leute besser erreichen als andere?"
Gefährliche Dynamik
Ob nun Online-Hetze von Salafisten und Islamisten oder von Rechtsradikalen - Hassreden polarisieren, schüren Ängste, unterteilen die Welt in Gut und Böse und grenzen Andersdenkende und Andersgläubige aus. Viele Besucher im Internet werden damit konfrontiert. Das macht die sogenannte "Hate Speech" so gefährlich. "Diese Videos von Predigern beinhalten vielleicht eine subtile Form von Hassrede, aber Hassrede findet vielmehr in den Kommentarspalten darunter statt", erklärt Marcel Klapp, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Islamische Theologie in Münster. "Das, was sich da an Dynamik entwickelt, wie Leute darauf einsteigen. Muslime für ungläubig erklären zum Beispiel - das ist ein Motiv, das ganz oft auftaucht."
Marcel Klapp ist einer der Leiter des Projekts "Salam-Online", das von der Bundeszentrale für Politische Bildung gefördert wird. Es wendet sich ganz bewusst an die künftigen Islamlehrer. Sie sollen sensibilisiert werden, Ansprechpartner sein für Jugendliche und in der Lage sein, das Thema auch im Unterricht zu behandeln. Gemeinsam lernen die Seminarteilnehmer die Methoden der Islamisten kennen und entwickeln Gegenstrategien.
Jugendliche sensibilisieren
"Theologische Argumente alleine reichen nicht aus, um Jugendliche zu erreichen und in der Auseinandersetzung mit den Hassreden im Netz zu stärken", sagt Sindyan Qasem vom Kooperationspartner ufuq.de. Einem Verein, der seit vielen Jahren in der politischen Bildung zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus arbeitet. "Natürlich ist es auch wichtig, eine Theologie zu präsentieren, die dem Ganzen vorbeugt, die eben nicht auf Spalterei setzt und auf Sektiererei. Gleichzeitig ist es aber wichtig, die Bedürfnisse von Jugendlichen zu kennen, die Mechanismen in sozialen Netzwerken. Es ist also ein sehr umfassendes Wissen notwendig, um zu so einer Strategie zu kommen. Und das versuchen wir in diesem Seminar zu leisten", so Sindyan Qasem.
Eine der zentralen Fragen: Wie reagieren die Jugendlichen? Machen Sie mit oder versuchen sie vielleicht, in den Kommentarspalten von Facebook etwa, Fakten und Wissen dagegen zu setzen. "Demensprechend ist Alarmismus überhaupt nicht angebracht", stellt Marcel Klapp klar. "Aber Schülern einen Umgang zu vermitteln, der vielleicht aufzeigen kann, wo es Beleidigungen sind, wo es in Richtung islamistische Propaganda geht oder ähnliches - da ein bisschen differenzieren zu können, das ist die Zielsetzung."
Als nächstes werden die Seminarteilnehmer Unterrichtseinheiten entwickeln, Handwerkszeug für das Klassenzimmer. Denn Orientierung zu geben in einer zunehmend digitalisierten Welt, das ist für alle Lehrer eine Herausforderung. Nazan Cadirgi nimmt zumindest einige Erkenntnisse schon mit: "Mir hilft es, zu reflektieren, was ich in meinem Alltag machen kann, was in der Schule, welche Präventionsarbeit gibt es oder welche Alternativen kann ich den Jugendlichen bieten, wenn mir so etwas begegnet."
