Für immer bleiben - 75 Jahre islamische Bestattung in Hamburg
Viele Jahre war es für Muslime in Deutschland nicht einfach, sich nach islamischer Tradition beerdigen zu lassen. Mittlerweile jedoch sind in jeder größeren Stadt muslimische Gräber auf kommunalen oder kirchlichen Friedhöfen zu finden. Denn immer mehr Muslime möchten dort bestattet werden, wo sie gelebt haben. In Hamburg wurde bereits vor 75 Jahren ein muslimisches Gräberfeld angelegt - nach Berlin das älteste in Deutschland.
Etwas versteckt hinter der Kapelle 2 auf dem riesigen Ohlsdorfer Friedhof liegt das islamische Gräberfeld. Anlass war 1941 - mitten im Zweiten Weltkrieg - der nahende Tod des iranischen Kaufmanns Abbas Ali Pyrchad. "Er verfügte, dass er hier in Hamburg islamisch bestattet werden möchte", berichtet Norbert Müller von der Hamburger Schura, der Vereinigung muslimischer Gemeinden. "Eine Überführung in den Iran war nicht möglich, und das haben einige Freunde von ihm umgesetzt. Sie haben das Gräberfeld auf dem Ohlsdorfer Friedhof erworben, um dort islamisch bestatten zu können."
15.000 Reichsmark musste damals der Freundeskreis für 102 Grabstellen bezahlen, um eine Beerdigung nach islamischen Ritus zu ermöglichen. "Die Gräber müssen separiert sein von anderen Gräbern. Es muss ein abgeteilter Bereich sein, wo nur Muslime bestattet werden", erklärt Müller. Firouz Vladi, dessen Eltern auf diesem Gräberfeld liegen, nennt weitere Besonderheiten der muslimischen Bestattung: "Dazu gehört, dass der Tote gewaschen wird und in ein Leichentuch gewickelt wird. Üblicherweise sind es die Tücher, die man bei der Pilgerfahrt trägt, um allen Menschen, die dort pilgern, deutlich zu machen: 'Wir sind untereinander alle gleich.' Man wird so bestattet, dass der Kopf etwas auf die rechte Seite gelegt wird und in Richtung Mekka blickt. Die Ausrichtung des Grabes ist so, dass die Füße nach Nordosten zeigen und der Kopf nach Südwesten."
Die Bestattung soll spätestens nach 48 Stunden geschehen, was allerdings manchmal an der deutschen Friedhofsbürokratie scheitert. Leichenverbrennung und Urnenbestattung kennt der Islam nicht. Der Glaube an das Jenseits, die Auferstehung der Toten und der Tag des Gerichts erfordern eine Beerdigung des Körpers.
Kein Ort für die Ewigkeit
Im Islam gibt es so etwas wie eine ewige Totenruhe, erklärt Vladi: "Das islamische Grab ist nicht auf Zeit angelegt, sondern die Idee ist, dass es ruhen soll, solange noch etwas da ist. Und wenn alles vergangen ist, kann das Grab durch einen anderen Muslim wieder genutzt werden."
In Ohlsdorf geht das frühestens nach 30 Jahren. Auf dem islamisch-iranischen Gräberfeld ist das kein Problem, da das Terrain einem Förderverein gehört. Auf anderen islamischen Gräberfeldern gilt aber die deutsche Friedhofsordnung. Spätestens nach 25 Jahren muss die Grabstelle neu erworben werden. "Und das ist etwas, was vielen ganz schwer zu vermitteln ist", betont Müller. "Warum soll ich noch mal neu bezahlen? Das ist wirklich ein Konfliktpunkt."
In Deutschland zu Hause
Solange die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind, können sie - sehr zum Bedauern von Norbert Müller - nicht in eigener Regie einen Friedhof führen. Der Bedarf an muslimischen Grabstellen ist jedenfalls stark gestiegen, da die Zahl der Überführungen ständig zurückgeht. Firouz Vladi erläutert: "Weil die zweite, dritte Generation sagt: 'Wir sind hier in Deutschland verwurzelt'. Und auch das islamische Bestattungsrecht eine Heimführung nicht als erste Wahl vorsieht. Der Islam sagt: Die ganze Erde ist Gottes Erde, und wo immer Gottes Erde ist, kann ein Moslem bestattet werden."
Auch wenn die Sargpflicht in den meisten Kommunen mittlerweile aufgehoben wurde, lässt sich doch nur rund ein Drittel der Muslime sarglos im Leichentuch bestatten. Vielleicht ein Indiz für die kulturelle Anpassung - wie auch der Blumenschmuck und manche Kerze vor dem Grabstein. Eigentlich unüblich auf muslimischen Gräbern, denn jeglicher Totenkult ist mit dem Islam nicht zu vereinbaren.
Für Norbert Müller hat das islamisch-iranische Feld auf dem Ohlsdorfer Friedhof eine besondere Bedeutung: "Dieses Gräberfeld von 1941 ist das älteste Zeugnis islamischer Existenz in Hamburg, und das ist schon etwas Besonderes, weil viele Menschen ja glauben, der Islam sei erst mit den Gastarbeitern gekommen. Und das ist auch etwas, was wir darüber vermitteln möchten."