Eine Frage der Teilhabe
Islamunterricht in Niedersachsen
Viele Jahre konnten muslimische Kinder in Deutschland über ihre Religion nur etwas in der Moschee oder im Internet erfahren. Das ändert sich nun langsam. Immer mehr staatliche Schulen bieten Islamunterricht an. Allein in Niedersachsen waren es mehr als 60 im vergangenen Schuljahr.
Von Sahar Nadi
Geduldig steht Nazilia Hasanov im Kreis und wartet. So lange, bis alle 16 Viertklässler ihren Nachbarn mit einem "Salam Aleikum" begrüßt haben. Dann dürfen sich alle hinsetzen. In ihrer Mitte befindet sich ein kleiner Tisch, auf dem ein Koran liegt. In den vergangenen Stunden war es das Thema ihres islamischen Religionsunterrichts. Und so auch heute.
Seit 2008 arbeitet Nazilia Hasanov nun schon als Lehrerin für bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht an der Eichendorff-Ganztagsschule in Peine. Und an einer Schule in Braunschweig. Denn noch immer gibt es auch in Niedersachsen nur wenige Islamlehrer. Dabei ist der Bedarf groß. Nicht nur weil die Zahl muslimischer Jungen und Mädchen an den Schulen steigt. "Der Islam gehört zu den Weltreligionen", sagt Schulleiterin Jutta Reuter-Al Akel. "Und dieses Angebot zu erweitern und zu sehen, dass immerhin 91 Prozent der muslimischen Kinder teilnehmen an dem Unterricht, das zeigt auch die Nachfrage der Eltern und letzten Endes vielleicht auch ein Stück Respekt, zu sagen, dass die Schule dieses so öffnet." Jutta Reuter-Al Akel bekommt ausschließlich positive Rückmeldungen - von den Eltern und von den Kindern.
Großer Bedarf an neuem Unterrichtsmaterial
Pilger, Suren, die Schöpfungsgeschichte: Die Inhalte des Kerncurriculums waren lange nur schwer umzusetzen. Das fing schon mit dem fehlenden Unterrichtsmaterial an, erinnert sich Nazilia Hasanov: "Wir haben uns jedes Arbeitsblatt zusammengebastelt. Aber wir haben noch Glück gehabt: Mit allen Lehrkräften in Niedersachsen, die das im Modellfach unterrichtet haben, haben wir uns öfter getroffen und Material sowie Erfahrungen ausgetauscht. Das war für uns sehr wichtig."
Mittlerweile kann die Islamlehrerin auf verschiedene Schulbücher und Arbeitshefte zurückgreifen. Doch auch die seien noch überarbeitungsbedürftig, meint Annett Abdel-Rahman, Landeskoordinatorin des "Netzwerks für Lehrkräfte des Faches Islamische Religion" Niedersachsen. Das Kultusministerium bemühe sich derzeit zwar um neues Unterrichtsmaterial - dennoch: "Schulbücher - ich glaube, da brauchen wir noch einne Weile. Das ist auf dem Weg, aber das liegt nicht so ganz in unserer Hand, weil man dazu auch Schulbuchverlage braucht, die bereit sind, dieses Fach zu begleiten."
Besonderen Herausforderungen
Die Erwartungen an das Unterrichtsfach Islamische Religion sind hoch. Die Schüler sollen sich auf Deutsch zu ihrer Religion äußern können, den Islam reflektieren, tolerant sein gegenüber Nichtmuslimen und bloß nicht radikal werden. "Das Tun dieses Unterrichts trägt natürlich dazu bei, dass diese Schülerinnen und Schüler an unserer Gesellschaft teilhaben", so Annett Abdel-Rahman. "Und das ist ein Faktor, der zur Deradikalisierung und auch zu Prävention beitragen kann. Der Inhalt des Unterrichts ist nicht, sich per se mit Salafismus auseinanderzusetzen, sondern beispielsweise mit den Grundlagen der Religion und sich zum Beispiel auch zu befähigen, sich mit Medien auseinanderzusetzen."
Auch Nazilia Hasanov ist sich dieser ganz besonderen Herausforderungen bewusst. Trotzdem blickt sie optimistisch in die Zukunft: "Umso besser ist es, dass immer mehr Schulen mit dabei sind, dass mehr Lehrkräfte sich dafür interessieren und weiterbilden lassen. Damit wir in dieser Frage auch ein bisschen mehr vorbereitet sind und mehr ändern und bewegen können."
