Die Zeitrechnung im islamischen Kalender
Weltweit wurde in dieser Woche das Neue Jahr 2020 begrüßt. Doch es gibt auch andere Zeitrechnungen. Im islamischen Kalender begann zum Beispiel bereits am 31. August das Jahr 1441. Wie sich diese Zeitrechnung erklärt und warum Musliminnen und Muslime in Deutschland trotzdem in dieser Woche gefeiert haben, erklärt unser Gastautor Hasanat Ahmad.
"Und dann, und dann, fängt das Ganze schon wieder von vorne an", stellten viele von uns schon als Kinder fest, als sie die Jahresuhr besangen, die niemals stillsteht. Das Jahr kommt und geht. Und mit ihm die guten Vorsätze: Wir wollen im neuen Jahr mehr Sport machen, umwelt- und klimafreundlicher leben, mit unserem Geld besser umgehen und auch sonst bessere Menschen sein, um nur einige der wohlbekannten Vorsätze aufzuzählen. Doch sobald die Uhr zu Silvester Mitternacht schlägt, scheinen viele die Sache mit den guten Vorsätzen dann doch nicht so ernst zu meinen. Das Jahr hat doch gerade erst begonnen, wir wollen ja nicht gleich übertreiben mit den Veränderungen!
Was auf der ganzen Welt die einen ihrem Geldbeutel und die anderen ihrem Magen, ihrer Leber und ihrer Umwelt sozusagen vorsätzlich antun, hat jedenfalls wenig mit den noblen Absichten und Plänen fürs neue Jahr gemein.
Lunarkalender im Islam
Ein anderer, besserer Mensch zu werden und über das Vergangene zu reflektieren, ist auch das, was ein gläubiger Muslim sich für das neue Jahr vornimmt. Dabei spielt es erst einmal keine entscheidende Rolle, welche Zeitrechnung als Referenz gewählt wird. Der islamische Kalender kennt nämlich eine von der bei uns üblichen Norm abweichende Zeitrechnung. Der 31. Dezember, der Todestag des Papstes Silvester I., hat im Islam keine ursächliche Bedeutung. Auch im christlichen Kulturkreis hat er erst seit der Gregorianischen Kalenderreform im 16. Jahrhundert die heutige Bedeutung als Jahresabschluss erhalten.
Das christliche Kirchenjahr orientiert sich am Lauf der Sonne. Im Falle des islamischen Kalenders handelt es sich hingegen um einen reinen Mondkalender. Wenn Mond, Erde und Sonne genau in einer Linie stehen, sprechen wir vom Neumond, welcher den Beginn eines Mondmonats markiert. Die Zeitspanne bis zum nächsten Neumond, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Himmelskörper wieder die gleiche Konstellation einnehmen, entspricht genau einem Mondmonat. In einem solchen Mond- oder Lunarkalender bilden wiederum zwölf Mondmonate ein Mondjahr, auch Lunarjahr genannt.
Das Jahr 1441 nach der Hidschra
Die Namen der zwölf Monate des islamischen Kalenders gehen auf den altarabischen Kalender zurück, der bereits vor dem Islam auf der Arabischen Halbinsel eine Tradition hatte. Doch den Beginn der islamischen Zeitrechnung markiert die Auswanderung des Propheten Muhammad (Friede sei auf ihm) von Mekka nach Medina (Hidschra genannt). Diese fand im Jahre 622 nach christlicher Zeitrechnung statt, also vor 1398 Jahren. In Mondjahren ausgedrückt befinden wir uns heute aber im Jahr 1441 nach der Hidschra, entsprechend der sogenannten Hidschri-Jahreszählung.
Da ein Mondjahr um etwa elf Tage kürzer ist als ein Gregorianisches Sonnenjahr, wandern als Folge die zwölf islamischen Monate durch das Sonnenjahr. Ein berühmtes Beispiel ist der Monat Ramadan, der auf diese Weise durch die Jahreszeiten wandert. So lag das letzte islamische Neujahr am 31. August 2019, welches in einigen islamischen Ländern durchaus gefeiert wurde.
Der Geist der Opferbereitschaft
Neben vielen anderen Menschen auf der Welt, die sich zu Beginn des neuen Jahres 2020 mit wichtigen Fragen beschäftigt haben, konnten auch Muslime der Ahmadiyya Gemeinde in Deutschland das Jahr mit Gottesdiensten und einem sozialen Beitrag für die Gesellschaft beginnen. Tausende Gemeindemitglieder trafen sich am frühen Morgen des 1. Januar in den Moscheen, um in einem gemeinschaftlichen Gottesdienst für den seelischen Frieden und eine bessere Welt zu beten - und auch zu handeln: Als einen ersten kleinen Schritt zur Umsetzung der guten Vorsätze versammeln sich seit ungefähr 20 Jahren in hunderten Gemeinden bundesweit Muslime zum Neujahrsputz und kehren die Straßen. Mit dieser Aktion möchten die Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jugendorganisation zusammen mit ihren Mitbürgern bereits in den frühen Morgenstunden des 1. Januar, wenn die meisten Menschen sich noch von der nächtlichen Feier erholen, ein Zeichen setzen und zeigen, dass gute Vorsätze auch umgesetzt werden können - aber den Geist der Opferbereitschaft und Mühe erfordern.