"Demokratie und Islam sind kein Widerspruch!"
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland", behauptet die AfD. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele, die das Gegenteil beweisen. An den deutschen Hochschulen etwa. Fünf Zentren für Islamische Theologie sind dort - mit Unterstützung der Bundesregierung - nach und nach entstanden. In Niedersachsen wird seit fast vier Jahren an der Universität Osnabrück Islamische Theologie gelehrt. Und zwar erfolgreich. Trotz aller Debatten um den Islam in Deutschland.
"Das Friedenspotenzial des Islam hervorheben"
"Es ist in der Tat ein Minenfeld, in dem wir uns bewegen", sagt Bülent Ucar, Professor für Religionspädagogik und Direktor des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. "Fast nach jedem Interview bekomme ich Droh-E-Mails, Anrufe. Einerseits von rechtsradikalen Islamhassern, andererseits von muslimischen Extremisten. Aber ich glaube, in dem Moment, wo wir uns mundtot machen lassen von diesen Extremisten, haben wir den Diskurs verloren. Dazu bin ich nicht bereit."
Bülent Ucar will sich den großen gesellschaftspolitischen Debatten um den Islam stellen, dazu beitragen, sie zu versachlichen. Als Wissenschaftler mit theologischen Argumenten. Er sei schließlich kein politischer Aktivist. Das Institut beteiligt sich unter anderem an Forschungsprojekten über gewaltorientierten Islamismus, bietet wissenschaftliche Weiterbildungen für Imame an oder organisiert internationale Tagungen, wie etwa zum Thema Islamfeindlichkeit. "Unsere Aufgabe muss es sein, das Friedenspotenzial des Islam hervorzuheben", betont er. "Auch zu zeigen, dass Religionsfreiheit, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaat nicht im Widerspruch zum Islam stehen. Und daran arbeiten wir."
Kopftuch - jede Frau soll frei entscheiden
Mit sieben Professuren und rund 370 Studierenden zählt das Osnabrücker Institut für Islamische Theologie inzwischen zu den größten in Deutschland. Das Ziel: Lehrerinnen und Lehrer für den Islamunterricht an Schulen auszubilden; aber auch Wissenschaftler, Imame, Seelsorger und Sozialarbeiter.

Silvia Horsch, mit grauem Kopftuch und in hellgrauen Leinenkleidern, leitet ein Seminar über die Methoden wissenschaftlichen Arbeitens. Sie steht vor rund 20 Studenten. Mehr als die Hälfte ist weiblich, viele tragen Kopftuch. Die 39-jährige Postdoktorandin engagiert sich für Geschlechtergerechtigkeit. Und sie setzt sich auch dafür ein, dass jede Frau frei entscheiden kann, ob sie das umstrittene Stück Stoff trägt oder nicht: "Es ist automatisch ein Thema. Schon allein dadurch, dass wir diese Vorurteile haben, dass Frauen im Islam unterdrückt werden. Das ist ein Bereich, wo wir hoffen, dass wir Impulse geben können, die dann auch in der muslimischen Community diskutiert werden."
Bis vor gut einem Jahr studierten nur wenige muslimische Frauen auf Lehramt. Dann kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das Kopftuchverbot an niedersächsischen Schulen wurde aufgehoben. "Das hat sich schon ausgewirkt auf die Studentinnen und die Zahl der Studierenden im Bereich des Lehramts - worüber wir sehr glücklich sind", stellt Bülent Ucar fest.
Ein wichtiger Beitrag zum Dialog der Religionen
Ein neuer Studienschwerpunkt entsteht am Institut: Muslimische Sozialarbeit. Auch wenn die Berufsperspektiven zurzeit noch nicht geklärt sind, sicher ist: Sozialarbeiter mit entsprechendem theologischen Wissen werden benötigt. Die meisten Seminarteilnehmer haben sich für das Studium entschieden, weil sie mehr über ihren Glauben erfahren wollen. In welche berufliche Richtung es gehen soll, entscheidet sich oft erst später.
Bülent Ucar zieht eine positive Bilanz. Die Evaluierung ist gut gelaufen, das Osnabrücker Institut für Islamische Theologie wird auch künftig vom Bund gefördert. Auch weil es einen wichtigen Beitrag leistet zum Dialog der Religionen. Und: Anders als am Institut in Münster verläuft die Zusammenarbeit mit den großen Islamverbänden Schura und Ditib bisher weitgehend konfliktfrei. Ucar setzt auf enge Kooperation. Auch wenn das zuweilen in der muslimischen Community für Kritik sorgt. "Theologie lebt vom Vertrauen der Gläubigen an der Basis", erklärt Ucar. "Ohne dieses Grundvertrauen der gläubigen Menschen wird Theologie an staatlichen Hochschulen nicht erfolgreich sein."
