Cartoons und Hijab
Ein Porträt von Rebecca Hillauer
Comics und Karikaturen sind enorm beliebt in der arabischen Welt. Viele überschreiten jedoch Grenzen - soziale, kulturelle und die der Bildung. Für die Personen hinter den Bildern ist das ein hochgefährliches Unterfangen. Die Cartoon-Aktivistin Sara Qaed aus Bahrain wird heute in Berlin den 19. Ibn-Rushd-Preis erhalten. Mit dem Preis zeichnet die Ibn Rushd-Stiftung seit 1998 Menschen oder Organisationen aus, die sich in den Augen der Jury um das freie Denken in der arabischen Welt verdient gemacht haben.
"Großartige Sprache, um mit anderen Menschen zu kommunizieren"
Sara Qaed, 1990 in Bahrain geboren, studierte Innenarchitektur und bildende Kunst, bevor sie vor zehn Jahren begann, als Karikaturistin zu arbeiten. Zunächst für eine lokale Wochenzeitung, später auch für Zeitungen in anderen arabischen Ländern. "Als ich als Karikaturistin anfing, habe ich nicht lange darüber nachgedacht, ob ich eine Frau bin, ob ich verschleiert, braun oder gelb bin", erzählt Qaed. "Ich halte das Zeichnen für eine großartige Sprache, um mit anderen Menschen zu kommunizieren."
Auch über Religion müsse man Karikaturen zeichnen dürfen, findet Qaed, obwohl sie selbst einen Hijab trägt. Nach dem Attentat von Islamisten auf die Redaktion des französischen Satire-Magazins "Charlie Hebdo" im Januar 2015 zeichnete sie eine Karikatur die sie "Im Namen Gottes" betitelte. Zu sehen sind: ein Israeli in einem Panzer, also ein Jude, der auf einen Palästinenser schießt; ein amerikanischer Soldat, der in Abu Ghraib einen vermeintlichen muslimischen Terroristen foltert; und ein Islamist, der einem "Ungläubigen" den Hals durchschneidet.
"Obwohl ich Muslimin bin, war ich entsetzt über den Anschlag", sagt Qaed. "So viele Menschen wurden ermordet - nur wegen einer Zeichnung. Karikaturisten müssen nicht verstehen, was ein Prophet für einen anderen Menschen bedeutet. Dieser Mensch aber muss tolerieren, dass das ihre Art und Kultur ist, Witze zu machen."
Großes Vorbild: die eigene Mutter
Sara Qaed versteht sich durchaus als Aktivistin. Ihre Cartoons kreisen um die Themen Migration, Frauen, Korruption und Macht. Zum Beispiel in einer Karikatur, in der eine Frau auf einem Brett festgeschnallt ist. Man sieht, wie sie von rechts Hände bearbeiten: Eine Hand legt ihr einen Schleier um den Kopf, eine andere lackiert ihre Fingernägel, die dritte vermisst die Länge ihrer Beine. Auf der linken Seite sitzt eine Person, die auf den ersten Blick als Mann erscheint und alles überwacht. "Ich halte die Figur für geschlechtslos", so Qaed. "Im realen Leben kann sie ein Mann sein oder eine Frau. Diese Vorgaben für eine bestimmte Figur, einen Kleidungsstil oder einen bestimmten Look - die können von der Familie stammen, von einem Freund, von der Gesellschaft, vom Arbeitsplatz. Oder sie sind kulturell oder religiös normiert. Für mich bedeutet jeglicher Zwang, Frauen als Objekt zu sehen und zu versuchen, sie als Produkt zu vermarkten."
Qaed hat nach eigenen Angaben einen solchen Zwang nie erlebt. Sie selbst hätte als Mädchen entschieden, ein Kopftuch zu tragen. So wie ihre Mutter und ihre ältere Schwester. Die Mutter sei ihr großes Vorbild, meint sie: "Sie hat mich gelehrt, dass man Freundlichkeit und Kraft zugleich leben kann. Und dass man sich nie den Mund verbieten lassen darf. Wenn ich mich für etwas entscheide, sollte ich mein Bestes geben."
Solidarität mit anderen Künstlern
Mit ihrem Ehemann, der Musiker und Designer ist, und ihrem dreijährigen Sohn lebt Sara Qaed inzwischen im britischen Newcastle. Auf die Frage, ob sie wegen ihrer Cartoons schon einmal Probleme gehabt hätte in arabischen Ländern, will sie nicht so recht antworten: "Aus den Nachrichten wird klar, dass es noch überall in der arabischen Welt Zensur gibt. Menschen kommen ins Gefängnis, werden gefoltert, sogar getötet. Damit will ich mich nicht vergleichen. Andere sind in wirklich großer Gefahr."
Auch mit ihnen will sie sich solidarisieren - mit ihren Zeichnungen, von denen viele die repressiven autoritären Strukturen in der arabischen Welt durch den Kakao ziehen. Auch dazu braucht es Mut. Dafür erhält Sara Qaed nun den Ibdn-Rushd-Preis.