Sendedatum: 04.04.2014 15:20 Uhr

Ahmadiyya in Stade

von Reiner Scholz

Anerkennung im Exil

Dieses Gebäude fällt schon äußerlich auf: Sein weißer Putz strahlt hell in der Sonne, das Gotteshaus hebt sich von den roten Klinkerbauten der Nachbarschaft ab - und auch sein Minarett ist deutlich sichtbar. Auch wenn nur wenige Gläubige sich an diesem Tag zum Mittagsgebet in der Bait-ul-Karim-Moschee am Rande von Stade versammelt haben, so ist diese erst 2008 errichtete kleine Moschee dennoch Ausdruck des gewachsenen Selbstbewusstseins der Muslime in Norddeutschland.

Der Vorstandsvorsitzende der Bait-ul-Karim-Moschee in Stade: Zeeshan Rajput. © ndr.de Foto: Scholz, Reiner
Der Vorstandsvorsitzende der Bait-ul-Karim-Moschee in Stade: Zeeshan Rajput.

Der Vorstandsvorsitzende Zeeshan Rajput kann sich noch an die Anfänge erinnern, als er vor 20 Jahren nach Stade kam: "Meine Eltern haben mich, als es Zeit zum Freitagsgebet war, von der Schule abgeholt und wir haben in unserem eigenen Haus die Möbel beiseite geräumt und auf engstem Raum gebetet. Später haben wir eine Wohnung gemietet, die speziell dafür ausgestattet war, dass wir uns zum Gebet und zu den Veranstaltungen trafen, und dann wuchs die Gemeinde."

Die Ahmadiyya, eine muslimische Minderheit

Die Ahmadiyya

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ, Jamaat = Gemeinschaft) ist als Reformbewegung aus dem Islam hervorgegangen. Sie entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Nordindien. Gegründet wurde sie von Mirza Ghulam Ahmad, der sich selbst als Prophet verstand. In vielen islamischen Ländern werden seine Anhänger bis heute von Sunniten und Schiiten als Ungläubige betrachtet und ausgegrenzt, teilweise sogar verfolgt. Die AMJ ist international tätig, betreibt Mission und unterhält eigene Moscheen. Geleitet wird sie von einem Kalifen, der in London lebt und auf Lebenszeit gewählt ist. In Deutschland gibt es derzeit etwa 35.000 Ahmadis. Seit 2013 ist die AMJ in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, seit 2014 auch in Hamburg.

Diese Moschee gehört einer besonderen Gruppe der Muslime, den sogenannten Ahmadiyyas. In Pakistan seit 1974 verfolgt, flüchteten viele von ihnen ins Exil. Mit 30.000 Ahmadiyyas beherbergt Deutschland nach England die zweitgrößte Gemeinde. Die Besonderheit dieser Glaubensgemeinschaft: Sie haben bereits einen Messias, auf den die anderen Muslime noch warten. Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad wurde 1889 in Indien geboren. In seiner Nachfolge steht derzeit in London der 5. Kalif. Die anderen muslimischen Verbände sowie die muslimischen Regierungen dieser Welt erkennen die Ahmadiyyas nicht als Muslime an. Diese wiederum sagen, mit ihrem Messias habe sich nur eine Weissagung Mohammeds erfüllt, erklärt der Imam Laeeg Munir: "Er sagte, es kommt ein Messias und der soll die Muslime und den wahren Islam wieder beleben."

Die Ahmadiyyas setzen auf interreligiösen Dialog und lehnen - wie andere Verbände in Deutschland auch - einen politisch motivierten Islam ab. Sie haben ein geistliches Oberhaupt und sind zentral organisiert. All dies hat dazu geführt, dass mit ihr 2013 zum ersten Mal in Deutschland eine muslimische Gemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt wurde. Jetzt ist die Amadiyya-Gemeinschaft auch erstmalig zur Islamkonferenz nach Berlin eingeladen. An ihrer konservativen Glaubensausrichtung besteht indes kein Zweifel: "Eine bestimmte Einhaltung der Gebote gilt nur dafür, den Schöpfer zu erkennen. Wir als Muslime befolgen ja Gebote Gottes, und nur indem wir vollste Gehorsamkeit befolgen gegenüber dem, was Gott von uns verlangt, nur so können wir ihn erkennen."

Interreligiöser Dialog auf Augenhöhe

In Deutschland gibt es mittlerweile 40 Ahmadiyya-Moscheen. Die größte steht in Groß-Gerau bei Frankfurt, die kleinste mit etwa 70 Plätzen hier in Stade. Mit weiteren ist zu rechnen. Viele der mehr als 200 Ahmadiyya-Gemeinden wollen eine eigene Moschee bauen, 100 sollen es insgesamt in Deutschland werden. Für den Stader Bürokaufmann Zeeshan Rajput ist mit dem Bau der Moschee in seiner Stadt ein Traum in Erfüllung gegangen. Gleich nebenan hat er sich nun ein großes Haus gebaut. Der Islam ist nicht nur in Deutschland angekommen, er ist längst auch in kleinen Städten wie Stade eine Selbstverständlichkeit.

Die Sendung zum Nachhören
Eine Aussenansicht der mit Girlanden geschmückten Bait-ul-Karim-Moschee in Stade. © Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland KdöR
4 Min

Ahmadiyya in Stade

Das Freitagsforum besucht die kleinste Ahmadiyya-Gemeinde Deutschlands in der Bait-ul-Karim-Moschee in Stade. 4 Min

Überblick
Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

Freitagsforum

Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Beiträge von Gastautoren zu aktuellen Themen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 04.04.2014 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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