Das Konzert
Montag, 11. Januar 2021, 20:00 bis
22:00 Uhr
Wenn - in normalen Zeiten - bis zu 200.000 Menschen beim jährlichen Tango-Festival im finnischen Seinnäjoki auf den Straßen tanzen, dann gilt nur eine Regel: eine Aufforderung zum Tanz wird immer angenommen, alles andere wäre unhöflich.

Der Dichter Unto Mononen hat mit Satumaa, der inoffiziellen finnischen Nationalhymne, ein wundervolles Märchenland geschaffen, irgendwo jenseits des großen Ozeans, wo der Wind alle Sorgen davonträgt, wenn man in den Armen geliebter Menschen liegt. Auf der anderen Seite des Meers liegt Argentinien, die Heimat des sehnsuchtsvollen, fast erotischen Tango. Der Tango Argentino verbindet europäische Musik mit afrikanischen und lateinamerikanischen Rhythmen. Typischerweise besteht ein Tangoorchester aus Klavier, Bass, zwei Geigen und zwei Bandoneons. Dabei kommt dem Bandoneon als wichtigstem Instrument des Ensembles eine besondere Bedeutung zu: Sein Klang macht den melancholischen Charakter des Tango spürbar. Der berühmte Bandoneonist Astor Piazzolla kombinierte als Vater des "Tango Nuevo" europäische Kunstmusik mit dem Jazz.
Zurückgekehrte Emigranten bringen den Tango nach Finnland
In den 1920ern versammelte man sich überall in Finnland um die Radioapparate, um der lasterhaften Tangomusik aus Paris zu lauschen. Aber noch wagte niemand, dazu zu tanzen. Unterdessen brachten finnische Emigranten, die sich im 19. Jahrhundert nach Südamerika aufgemacht hatten, bei ihrer Rückkehr Musik voller Poesie und Tiefe mit. Während der sowjetischen Invasion 1939/40 wurde der Tango die Sprache, mit der die Finnen ihr Leid und ihre Klage ausdrücken konnten. Und der berühmte Sänger Olavi Virta sang 1944 seinen kriegsmüden Landsleuten zu: "Deswegen bin ich aus tiefster Seele traurig".
Tango aus zwei gänzlich verschiedenen Welten
Trotz ihres gemeinsamen Ursprungs repräsentieren der südliche und der nördliche Tango gegensätzliche Welten. Der Argentinier singt von der verletzten männlichen Ehre, die Rache verlangt: "Du hast meine Geliebte verführt - stirb!". Beim Finnen dagegen heißt es: "Du hast mir meine Geliebte gestohlen, also muss ich gehen."
Auf dem Weg vom Süden in den Norden ist der hitzige Tango auch musikalisch abgekühlt: Die Synkopen wurden abgeschliffen, aus Moll- wurden Dur-Tonarten. Hier röchelt nicht das heisere Bandoneon, stattdessen klagt und tröstet das träge Schifferklavier mit schaurigen und sinnlichen Klängen - je trauriger die Musik, desto intimer der finnische Tango. Bis heute heißt es, nur ein Finne könne einen finnischen Tango komponieren.
Wie argentinischer Tango ganz ohne Bandoneon klingt, demonstrieren zum Ausklang vier Fagottisten der NDR Radiophilharmonie Hannover, ein Ausschnitt aus dem "etwas anderen Neujahrskonzert" 2009.
