"Vertell doch mal": Der Publikumspreis steht fest
Die 23-jährige Marie Sophie Koop aus Hamburg hat in diesem Jahr mit ihrer Geschichte "Dree Schreed" den größten plattdeutschen Schreibwettbewerb gewonnen. "Fief vör Twölf" - Fünf vor Zwölf war dieses Jahr das Motto von "Vertell doch mal". Aus rund 1.000 Geschichten wurden die 25 für das Buch ausgewählt und dann die fünf Sieger. Sie werden wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr ausschließlich online vorgestellt.
Und auch der Publikumspreis wurde in diesem Jahr online per Abstimmungsverfahren bestimmt. Nun steht fest: Der mit zusätzlich 500 Euro dotierte Preis geht an Hartmut Großmann aus Stelle in Niedersachsen, der mit seiner einfühlsamen Geschichte "De Tiet, de löppt" den Weg in die Demenz beschreibt und schon von der Ehrenjury mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde.
Sponsor gratuliert
Der Publikumspreis wird in jedem Jahr von unserem Sponsor übergeben. Das ist die PNE AG in Cuxhaven. Die hat ursprünglich mit Windenergie angefangen und betreibt heute Projekte in allen alternativen Energiearten. Weil es dieses Jahr nicht auf der Bühne des Ohnsorg-Theaters geht, gratuliert nun Rainer Heinsohn, Leiter der Unternehmenskommunikation, per Videobotschaft.
Fast 1.000 Geschichten wurden eingereicht
"Fief vör twölf" war in diesem Jahr das Thema unseres Wettbewerbs. Fast 1.000 Geschichten, nicht nur aus Norddeutschland, gingen dazu in den Funkhäusern ein. Daraus wurden 25 für das diesjährige "Vertell"-Buch ausgewählt, aus denen eine Ehrenjury wiederum die fünf Sieger-Geschichten auswählte. Das wäre nicht zu schaffen gewesen, wenn nicht die Textmanufaktur von Peter Nissen und Hartmut Cyriacks alle Geschichten geordnet, vorsortiert und den Prozess begleitet hätte. Insgesamt sind die Gewinner-Geschichten mit 5.000 Euro dotiert.
1. Preis: Die Siegerin kommt aus Hamburg
Der erste Preis von "Vertell doch mal" 2020 geht nach Hamburg. Gewonnen hat den mit 1.500 Euro dotierten Preis Marie Sophie Koop. Die 23-Jährige hat ein Film-Regie-Studium absolviert und überwacht derzeit Skript und Ablauf bei Filmproduktionen. Das Schreiben gehört zum Job dazu. Außerdem arbeitet sie derzeit an einem Buch. Seit einigen Jahren lernt Marie intensiv Platt - mit Erfolg. In ihrer Geschichte "Dree Schreed" beschreibt sie die zarte erste Begegnung zwischen dem von Zwangshandlungen bestimmten Max und der zugewandten Merle. Die Jury lobt den dichten Erzählstil, die klaren unverbrauchten Bilder und die Knappheit der Sprache dieser beeindruckenden Geschichte. Gelesen wird sie von Ohnsorg-Schauspieler Markus Gillich.
2. Preis: Eine Geschichte aus Niedersachsen
Der 77-jährige Hartmut Großmann hat in der Plattszene einen Namen. Und auch aus dem Fernsehen kennen ihn viele: Er ist einer der Shanty-Jungs von De Trampentrekker, die in Hamburg "Inas Nacht" begleiten. Witzig ist die Geschichte allerdings nicht, mit der er den mit 1.000 Euro dotierten zweiten Preis bei "Vertell doch mal" gewonnen hat. Die Jury meint: Das Eintreten von Demenz in einem jüngeren Lebensalter ist ein weniger beachtetes Thema in der Gesellschaft. In der Geschichte "De Tiet, de löppt" werden die Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben eines Ehepaares einfühlsam beschrieben. Robert Eder aus dem Ohnsorg-Ensemble liest die Geschichte.
3. Preis: Episodengeschichte aus Övelgönne
Gesche Gloystein hat Theaterwissenschaften studiert. Als Dramaturgin am Niederdeutschen Schauspiel des Oldenburgischen Staatstheaters entflammte ihre Liebe zum Plattdeutschen. Inzwischen gehört die 33-Jährige aus Oevelgönne zum Team des PLATTart Festivals, organisiert Poetry-Slams und leitet das Kulturzentrum Seefelder Mühle. Zum ersten Mal im "Vertell"-Buch konnte sie mit ihrer Episodengeschichte "Een Dag" gleich den mit 800 Euro dotierten dritten Platz belegen. Ein Tag, zwei Kontinente, drei Menschen - festgemacht am Beispiel des alltäglichen Lebensmittels Milch mache Gesche Gloystein Verwerfungen der Globalisierung anschaulich, so das Urteil der Jury. Gloystein gebe den Sichtweisen von Verbrauchern und Produzenten bei uns und in der Dritten Welt Raum, ohne selbst zu werten oder vermeintliche Lösungen anzubieten. Eine Geschichte, die zum Nachdenken zwingt. Auf der Ohnsorg-Bühne liest sie Birte Kretschmer.
4. Preis: Eiskaltes aus Dithmarschen
Die Albersdorferin Silke Eggers-Boritzka hat als Lehrerin im Ruhestand allein durch ihre beiden Enkelkinder genug zu tun. Sie schreibt deswegen eigentlich nur einmal im Jahr: immer, wenn zu "Vertell doch mal" aufgerufen wird. Ihre erste Geschichte belegte 2011 gleich den 1. Platz, 2013 schaffte sie es erneut ins Buch, in diesem Jahr gehört Silke Eggers-Boritzka abermals zum Kreis der Gewinner. Den mit 700 Euro dotierten vierten Preis bekommt sie für eine Geschichte über den Klimawandel und seine Bedeutung für Eisbären. Die Jury sagt, Silke Eggers-Boritzka gelinge es in ihrer Geschichte "Schafft?", die Bedrohung der Lebensgrundlagen eindringlich nahe zu bringen, indem sie sich in die Lage einer Eisbärenmutter auf Nahrungssuche versetzt. Das Fragezeichen am Schluss des vermeintlichen Happy-Ends stimmt nachdenklich. Meike Meiners liest im Ohnsorg Theater die Geschichte aus Knopfaugen-Perspektive.
5. Preis: Zahlenspiele aus Emden
Als Geschäftsführerin einer ländlichen Akademie kann Christine Schmidt aus Emden mit Zahlen umgehen. Schreiben kann die 58-jährige Mutter dreier erwachsener Kinder auch. Seit Jahren verfasst sie platt- und hochdeutsche Theaterstücke und Lieder. Mit ihrer ersten Geschichte, die Christine Schmidt bei "Vertell doch mal" eingeschickt hat, überzeugte sie gleich die Jury. Sie bekommt den mit 500 Euro dotierten fünften Preis zugesprochen. In den Augen der Jury ist ihre Geschichte "Dat Karma van Tabea minn fiev" ein Märchen über eine Zufallsbegegnung: Tabea, die ihr Leben lang schon unter einem vermeintlichen Zahlenmysterium leidet, Jann, der die Unglückszahl Fünf für sie umzudeuten weiß. Der Anfang einer Liebesgeschichte? Christine Schmidt ist mit ihrer lockeren, ansprechenden Erzählung eine amüsante, moderne Märchenerzählung gelungen. Die liest Manfred Bettinger aus dem Ohnsorg Ensemble.
Sonderpreis für kreativen Nachwuchs
In diesem Jahr überzeugte die 15-jährige Henrikje Anneken Raßmus aus Jamel in der Nähe von Schwerin mit einer Weltuntergangsgeschichte und gewann den "Ü-18-Pries" somit das zweite Jahr in Folge. In ihrer Geschichte "De letzte Ogenblick" hat die Klimakatastrophe die Welt in Streit versetzt. Was die Menschen retten sollte, hat alles nur verschlimmert. Nun läuft der Countdown und unsere jugendliche Heldin hofft, in einem Bunker zu überleben. Seit 2017 gibt es den "Ü-18-Pries" als Angebot für junge Menschen, die Plattdeut lernen. Das "Ü" ist Plattdeutsch, weil "unter" übersetzt "ünner"" heißt. Die "Ü-18-Geschichte" ist übrigens wieder die erste im Buch des Verlags Husum Druck.
26 Geschichten in einem Buch

Fast 1.000 Geschichten - nicht nur aus Norddeutschland - sind im Rahmen des diesjährigen Wettbewerbs in den Funkhäusern eingegangen. Daraus wurden 25 für das diesjährige Vertell-Buch ausgewählt und zusätzlich die Ü-18-Gewinnergeschichte. Natürlich kann man bei einer Auswahl von 25 aus 1.000 nicht alles richtig machen. Aber keine Geschichte geht verloren. In der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek werden zwischen dem Nachlass von Klaus Groth und Handschriften von Albert Einstein alle Geschichten aufbewahrt. Der Bestand von "Vertell doch mal" gilt inzwischen als der größte an aktuellen niederdeutschen Geschichten. Ab und an erreichen die Zentralredaktion Niederdeutsch in Kiel Anfragen: "Ich bin mit meiner Geschichte dieses Jahr nicht unter den 25 im Buch. Welchen Platz habe ich erreicht?" Die Antwort ist klar: den 26..
In dem Buch "Fief vör twölf" zu "Vertell doch mal" finden Sie in diesem Jahr folgende Autoren und Geschichten:
- Henrikje Anneken Raßmuß: "De letzte Ogenblick" (Ünner-18-Pries)
- Christian Becker: "En Leven na de Klock"
- Günter Bernhard: "Op'n Stutz"
- Kerstin Bolte-Mahlstedt: "De elektronische Eva"
- Marcus Buck: "Aschenpüüster"
- Arne Christophersen: "Töven"
- Cord Denker "Werbewirken Söötsimsen"
- Silke Eggers-Boritzka: "Schafft?"
- Lutz Eichler: "So schall uns Gäng heten"
- Elisabeth Epp: "Tjeenen Alkohol meeja"
- Gesche Gloystein: "Een Dag"
- Hartmut Großmann: "De Tiet, de löppt"
- Holger Hansen: "Ik geev di Absolution"
- Andrea Henkelmann: "Elk sien Möög"
- Marie Sophie Koop: "Dree Schreed"
- Jürgen Kropp: "De brune Schiet"
- Gisela Laue-Morczinietz: "So'n korte Fründschop"
- Doris Meinke: "Kort foer Loadenschluss"
- Marita Morisse: "Finster wienern"
- Britta Reimer: "Ik wull di wat wiesen"
- Birgit Rutenberg: "Tarzan un Jane"
- Christine Schmidt: "Dat Karma van Tabea minn fiev"
- A. Sonne: "Fief vör twölf an Gleis dree"
- Heiko Thomsen: "High Noon för Wellem Keen"
- Christl Twenhöfel: "Afschreven"
- Gunda Wirschun: "Plünnen waschen"
