Zwei singende Frauen im Friesennerz stehen auf einer Bühne. © NDR Foto: Lornz Lorenzen

Die Deichgranaten: Plattdeutsche Songs mit Botschaft und Haltung

Stand: 16.12.2022 10:50 Uhr

Sie sind Cousinen, stehen seit Jahren mit ihren Soloprojekten auf der Bühne, singen und texten - und nun touren Annie Heger und Insina Lüschen auch gemeinsam als "Die Deichgranaten" durch den Norden.

von Lina Bande

Ob eine Familienfeier oder andere Gelegenheiten - die beiden Ostfriesinnen hätten schon immer ganz viel miteinander gesungen, erzählt Insina. "Aver dat wi irgendwann eenmol vör harrn, tosomen as Duo optotreden, dat kann man wirklich nich seggen!" Dass es doch so gekommen ist und die Deichgranaten heute mit einem eigenen Album durch den Norden touren, ist einigen Zufällen zu verdanken.

Der Name stand schon lange fest

Eine Frau mit Gitarre singt in ein Mikrofon. © NDR Foto: Lornz Lorenzen
Ihre Songs schreiben Insina Lüschen (hier im Bild) und Annie Heger alle selbst.

Einen dieser Zufälle gab es zum Beispiel bei den Dreharbeiten zum Film "Ostfriesisch für Anfänger" im Jahr 2017. Daran waren die Cousinen beteiligt und sprangen spontan als traditionelles Gesangsduo auf die Bühne. Schauspieler Holger Stockhaus improvisierte den Namen der beiden - und "Die Deichgranaten" bekamen kurz danach die ersten Auftrittsanfragen. Obwohl es sie doch noch gar nicht wirklich gab.

Mit ganz viel gemeinsamer Studiozeit und kleinen Social-Media-Clips ging's dann in der Pandemie plötzlich doch los mit dem Duo - und schon mit der Debütsingle "JO!" wurde deutlich: mit traditionellen Volksliedern zum Schunkeln, wie noch im Kinofilm, haben die Deichgranaten so gar nichts am Hut:

Man wi seggen JO!
Wi bruken'n ne'et Heimatlied
Denn wi sind free, wi hebben't so goot,
uns Haart is wiet.
Kumm laat uns deelen, wat wi hebben't
Rieker warrt de, de Leevde schenkt,
Laat us Heimat waarn för de, de kien mehr hebbt.

Haltung zu zeigen ist gerade wichtiger denn je

Stattdessen wollen Annie und Insina Botschaften verbreiten: "Wi hebbt kien Tiet mehr, üm nich explizit to wesen, üm kien Haltung to hebben. Wi hebben disse Haltung as de twee Personen, de wi sind, un wi nehmen de mit op de Bühn", sagt Insina. Deshalb trägt das erste Album auch den Namen "Punkt.", weil jedes Lied die Botschaft zu einem Thema auf den Punkt bringe.

Menschenrechte, Flüchtlingspolitk, Hassrede und Hetze, Diskriminierung, Liebe für alle, Vielfalt - das sind alles Themen in den Songs der Cousinen. Und das sind auch alles Themen, die polarisieren: "Wi kriggt en Bült van Haatnarichten!", bedauert Annie.

Hass und Hetze für die eigenen Songs

Bei vielen Menschen gebe es wohl die Angst, eigene Privilegien für andere aufgeben zu müssen. "Dorbi seggen wi ok in unsere Texten: blots wiel annere ok wat kriegen, geiht mi dat doch nich schlecht", betont die Musikerin.

Eine singende Frau hebt den Zeigefinger in Richtung Publikum. © NDR Foto: Lornz Lorenzen
"Wenn wi Privilegien deelen, denn warrn de doch nich minner!", sagt Annie Heger - vom Teilen profitieren am Ende alle.

Die Social-Media-App TikTok haben sie und Insina mittlerweile von ihren Handys gelöscht: "Dor hebben wi so'n richtigen Schietstörm hatt. 60.400 Haatnarichten alleen för de Satz 'man lässt keine Menschen ertrinken.'"

Oft ganz anders als erwartet

Genau solche Sätze kann das Publikum bei einem Konzert der Deichgranaten aber nun mal erwarten, getreu dem selbstgewählten Motto Bumsfallera und Botschaft, Party und Politik: "De verwachten villicht wat heel anners, wenn man uns so ankieken deit in uns Friesennerz mit Prinz-Heinrich-Mütz - un denn warrt dat aver doch so'n bietje mehr as blots schunkeln", sagt Insina lachend.

Die falsche Erwartungshaltung einiger Zuschauerinnen und Zuschauer hänge auch mit dem Image der niederdeutschen Sprache zusammen, meint Annie. Niedliche Neologismen wie "Plüschmors" für Hummel würden der Sprache die Ernsthaftigkeit nehmen. "Un wiel se even denken, de Leeder köönt jo man blots vertellen ut vergangen un verleden Tieden, dat sind blots Schenkelklopper un Döntjes."

Plattdeutsch verstärkt die Botschaften noch

Das Gegenteil beweisen die Deichgranaten Annie Heger und Insina Lüschen mit jedem einzelnen ihrer Songs, auch mit "Wi sünd een":

Wi sünd een! - Een Mischheit ohn Nation
Een Wahrheid ohn Religion
Wiel wi all Minschen sünd
egaal, wo man uns nennt
to 100 Prozent.

Und Annie ist sich sicher, dass die Botschaften auf Plattdeutsch sogar noch mehr Gewicht bekommen: "Plattdüütsch is uns Hartensspraak un uns Botschaften sitten even ok deep in't Hart. Wo all uns Geföhlen van Geborgenheit, Leevde, annohmen wesen, man ok Twiefel un Unsekerheit sütt."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 17.10.2022 | 20:10 Uhr

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