Kampnagel-Sommerfestival: Detect Ensemble auf Klangforschung
Zuhören als Ausgangspunkt für Kommunikation. Auf dieser Grundlage forscht das Detect Ensemble zwischen zeitgenössischer und elektronischer Musik nach dem Wesen des Klangs.
Ein so offenes Festivalformat wie das Detect Classic Festival im Rahmen der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern hat es wohl noch nie gegeben. Auf dem ehemaligen Militärflugplatz Trollenhagen bei Neubrandenburg traf am letzten Juli-Wochenende die Subkultur der elektronischen Tanzmusik auf junge und alte Klassikfans. Hier spielten große Live-Techno-Acts wie Brandt Brauer Frick oder Pantha du Prince neben Ensembles wie der Jungen Norddeutschen Philharmonie, dem Orchester im Treppenhaus aus Hannover oder der polnischen Modern Classical Pianistin Hania Rani. Das Detect Ensemble wurde eigens für das Festival gegründet und verkörpert das Konzept.
Die Klassik modernisieren und für neues Publikum populär zu machen, das versucht man schon lange. In den 80er-Jahren bei Nigel Kennedy genügen noch leicht gegelte Haare um großes Staunen hervorzurufen. Seitdem gab es immer wieder vermeintlich "freche" Solistinnen und Solisten, die die Plattenfirmen als Erneuerer der Klassik wie Popstars vermarkteten. Natürlich sind so manchmal Verkaufserfolge gelungen, wirklich verändert hat sich der Markt aber kaum. Das Image der Klassik blieb gesetzt, schwarzbeanzugt und hochkulturell.
Komplexität neuer Klänge feiern
Wie meistens in der Kunst entstehen Innovationen nicht per Dekret von oben, sondern in der Nische der Subkulturen. In London war es die "Nonclassical"-Bewegung um Gabriel Prokofiev, die völlig neue Konzertformate in Industriebrachen und Clubs etablierte. Auch in New York brachte die Szene um das Label New Amsterdam Records Neue Musik von Komponisten wie Judd Greenstein oder Caroline Shaw zu einem jungen, aufgeschlossenem Publikum.
In Deutschland schlugen das Hamburger Ensemble Resonanz oder die Berliner vom Ensemble Mini ähnliche Wege ein. Im Unterschied zu den "Klassik-Crossover-Ideen" ging es diesen Szenen nie darum die Musik selber leicht und zugänglich zu machen. Man feiert hier fröhlich die Komplexität neuer Klänge.
Detect Classic Festival fasst Strömungen zusammen
Von einer anderen Seite des stilistischen Spektrums, der elektronischen Musik, entwickelte sich das, was man später "Neo Classical" oder "modern Classical" genannt hat. Nils Frahm, Lisa Morgenstern, Lambert oder Hauschka gehören inzwischen zu den erfolgreichsten deutschen Musikexporten. Sie sprechen eine Szene an, die zu härterer Clubmusik tanzt und doch neugierig ist auf ruhige akustische Klänge. Das alte DDR-Funkhaus in der Berliner Nalepastraße wurde zeitweise zu einem wahren Tempel dieser Musikkultur.
All diese Strömungen und Interessen fasst das Detect Classic Festival zusammen. "Wenn wir neues Repertoire in unsere klassischen Konzertreihen integrieren, freut sich darüber unser angestammtes Publikum," sagt die Intendantin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern Ursula Haselböck "neues Publikum erreichen wir so nicht."
Grenzen zwischen Club und Konzerthaus verwischen
So lässt das Schlachtschiff Musikfestspiele das Detect-Team um die Junge Norddeutsche Philharmonie etwas völlig Neues schaffen. Ein ganzheitliches Musikerleben in liebevoll gestalteter Kulisse, umgeben von Luft und Licht. Ein Raum, in dem man ganz in Musik eintauchen kann. Sei es im Gras liegend zu Kammermusik von Brahms oder unter bunten Lichtkuppeln mit dem internationalen Downbeat einer Martha van Straaten. An einem Wochenende im Sommer landen wir mitten im Sound eines Sinfonieorchesters, genießen Live-Musik und heben bei Nacht im Licht und Nebel elektronischer Musik ab. Wir erforschen Klassik und Ambient, Elektronisches und Zeitgenössisches, Avantgarde, Beats, Rhythmus, Raumakustik und verwischen Grenzen zwischen Club und Konzerthaus.
Bei uns sollen Menschen durch Musik zueinander finden, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion. Alle - ganz egal welchen Alters sind beim Detect Classic Festival herzlich willkommen. Selbstbeschreibung des Festivals
Das Detect Ensemble als Festivalorchester verbindet die Idee des Festivals mit einem Klangkörper. Die Weimarer Bratschistin Paulina Sofie Kiss brachte die Musikerinnen und Musiker zusammen um klassische Instrumente mit den unendlichen Möglichkeiten elektronischer Klänge zusammenzubringen. Das Ensemble spielt Musik eines Stars der Techno Szene wie Roman Flügel, oder macht sich auf in die grenzüberschreitenden Musikspähren des Komponisten Kann Bulak.
Am Sonntag tritt das Detect Ensemble beim Kultursommer Special auf dem Kampnagel-Sommerfestival ab 18.30 Uhr auf.
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Rock und Pop
