"Ohne Kultur wird es still" - Reaktionen auf Corona-Maßnahmen in MV
Um das Ansteigen der Corona-Infektionszahlen zu bremsen, müssen Kultureinrichtungen müssen nun ein zweites Mal in diesem Jahr schließen.
Kein Verständnis für die getroffenen Entscheidungen hieß es, aber auch, wir können das nachvollziehen. Sehr differenziert reagierten heute Kulturschaffende in Mecklenburg-Vorpommern, darauf, dass von Montag an jedes Theater, jeder Konzertsaal, jedes Kino geschlossen bleibt, einen ganzen Monat lang. Die Branche ist vor allem traurig, weil insbesondere die Kultureinrichtungen in den vergangenen Monaten bewiesen hätten, dass Kultur TROTZ Corona fast reibungslos funktioniert. Axel Seitz hat in Mecklenburg-Vorpommern mit einigen Kulturverantwortlichen gesprochen und fast die Reaktionen zusammen:

Es trifft eine ohnehin schon gebeutelte Branche noch einmal hart, sagt die Intendantin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Ursula Haselböck, sie betont aber auch:
"Klarerweise die Gesundheit geht vor, die Zahlen sind hinaufgegangen. Wir wissen ja alle, wovon wir sprechen. Es ist natürlich doppelt dramatisch für die Kulturszene, weil hier wirklich alle ihre Hausaufgaben gemacht haben. Also, es wurden Hygienekonzepte erarbeitet, es gab Konzerte mit Abstand und Masken. Es wurden Konzerte wirklich durchgeführt, so wie es hat sein müssen. Und es gab, muss es nur noch einmal sagen, wirklich null Infektionen. Ich glaube sogar europaweit, die auf einen Kultur-, Theaterkonzert- oder Opernbesuch zurückzuführen sind."
Undifferenzierte Maßnahmen
Der Intendant des Theater Vorpommern, Dirk Löschner, hat zwar Verständnis dafür, dass es wegen der steigenden Infektionszahlen in Deutschland Maßnahmen geben muss, er fragt sich aber, ob das gerade die Theater treffen muss, er spricht von undifferenzierten Maßnahmen:
"Die Theater haben gute Konzepte gemacht, wir haben auf der Bühne und im Zuschauerbereich extrem gut eingehaltene Abstandregelungen. Es gab keine Infektionen in den Theatern und wenn man der Meinung ist, dass Theater ein Lebensmittelpunkt ist und Kunst stattfinden muss und zur Gesellschaft dazugehört, dann wundert mich doch der leichtfertige Umgang damit. Anders kann ich es nicht bezeichnen."
Hoffnung, dass es im Dezember weitergeht
Nicht ganz so kritisch äußert sich der Intendant der Theater und Orchester Gesellschaft Neubrandenburg/Neustrelitz, Sven Müller, im Gespräch mit NDR 1 Radio MV:
"Ganz klar, dass die Verantwortlichen in der Politik etwas unternehmen mussten. Es ist, glaube ich, unglaublich schwer vorauszusagen, was da die richtigen Maßnahmen sind. Und ich wünsche ihnen eine glückliche Hand. Es ist wahrscheinlich, dass jeder der Betroffenen sich beschweren wird. Ich möchte eigentlich ein bisschen davon absehen. Natürlich frage ich mich auch, ob die Schließung unseres kleinen Theaters mit eigentlich 400 Plätzen, das wir ja zurzeit nur mit 80 Plätzen besetzen, die großflächige Pandemie abwenden wird. Aber natürlich, wenn das jetzt gefordert ist, dass wir unseren Beitrag dazu leisten, dann leisten wir den auch."
Sven Müller setzt darauf, dass die Theatermitarbeiter im November weiter proben dürfen, dann sei alles gut, sagt er. Damit dann im Dezember - unter anderem die Märchenoper "Dornröschen" von Engelbert Humperdinck - Premiere hat und dem Publikum in der Advents- und Weihnachtszeit wieder Theater in Neustrelitz geboten wird.
"Werden noch ein bisschen damit zu tun haben"
Im Filmtheater Luna in Ludwigslust, das gerade mit dem Kinokulturpreis MV ausgezeichnet wurde, sieht Kinobetreiberin Bettina Westermann die aktuelle Lage fast schon entspannt. Sie kann es nachvollziehen, dass jetzt etwas passieren muss, das sei nicht schön, aber sie hat sich mit ihrem Mann für den November schon etwas vorgenommen:
"Die Sitzreihen auseinandernehmen, so weit, dass die nach vorne und hinten 1,5 Meter voneinander Abstand haben. Damit wir eine eindeutigere Lösung haben, die uns und auch dem Publikum dann weniger Stress macht. Die Sitzreihen haben dann automatisch den 1,5 Meter Abstand, der sein muss, und wir müssen uns nur noch um rechts und links kümmern. Das werden wir machen, weil wir davon ausgehen, dass wir mit diesem ganzen Spaß noch ein bisschen zu tun haben werden."
Wie ein Arbeitsverbot für die Branche
Während der Schweriner Theaterintendant Lars Tietje die getroffenen Entscheidungen kritisierte, er sehe die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen nicht gewahrt, sagte die Intendantin der Festspiele, Ursula Haselböck, sie könne das nachvollziehen, so bitter das auch sei. Sie betonte aber auch:
"Es kommt einfach wirklich einem Arbeitsverbot zu einer ganzen Branche gleich. Es sind nicht nur ein paar Künstler, die jetzt da irgendwie zu Hause üben können, sondern es ist die sechstgrößte Wirtschaft. Es hängen sehr viele Schicksale davon ab, dass es weitergeht und dass die Künstler wieder ihrer Profession nachgehen können. Und ich glaube, das letzte halbe Jahr hat bewiesen ohne Live-Musik geht's nicht, und ohne Kultur wird es still."
Und so hoffen sämtliche Kulturschaffende in MV, dass nach dem November nicht auch der Dezember still bleibt, sondern dass Konzerte und Lesungen stattfinden, Theater sowie Kinos wieder öffnen dürfen.
