Festspielsommer 2022: Große Namen und erstklassige Spielorte
Mit dem Geiger Emmanuel Tjeknavorian und der NDR Radiophilharmonie unter ihrem Chef Andrew Manze wird das Festival am 18. Juni in der Neubrandenburger Konzertkirche eröffnet.
Wenn die Mozart-Geige aus Österreich nach Mecklenburg-Vorpommern kommt, wenn sich ein musikalisches Wochenende rund um den Wald dreht, wenn es ein Fest für das Welterbe gibt - dann ist die Zeit für den Festspielsommer 2022 in Mecklenburg-Vorpommern. Bevor Emmanuel Tjeknavorian das Violinkonzert von Jean Sibelius in der Neubrandenburger Konzertkirche spielt, wird das Musikfestival traditionell mit einer Ouvertüre eröffnet - diesmal für Geige und Orchester: "Das ist ein großartiges Stück geworden", schwärmt Emmanuel Tjeknavorian. "Die Ouvertüre heißt 'Arche Noah'. Es ist ja überliefert, dass die Arche Noah am Berg Ararat gestrandet ist. Der Berg Ararat ist ein Heiligtum für alle armenisch stämmigen Menschen, und mein Vater ist ein armenisch stämmiger Komponist und Dirigent. Insofern hat er diese Festivität, die Landung am Berg Ararat vertont. Eine wunderbare Ouvertüre, sehr virtuos für die Violine. Es wird ein Fest sein."
Ein Fest, das auch für Intendantin Ursula Haselböck gleich mehrere Premieren bereithält: "Es ist mein erster richtiger Festspielsommer, der erste, den ich geplant habe und der erste, den ich hoffentlich ohne Beschränkungen, ohne Abstand, ohne Masken im Konzertsaal erleben darf." Eine weitere Premiere betrifft eben auch die Festspielouvertüre: "Es kommt so bald auch nicht mehr vor, dass der Vater des Festspielpreisträgers eine Festspielouvertüre komponiert. Loris Tjeknavorian ist ja selbst ein Superstar der Komponisten, auch in seiner Heimat Armenien, und er ist auch der erste Dirigierlehrer von Emmanuel Tjeknavorian, der in diesem Jahr nicht nur geigt, sondern auch als Dirigent zu erleben sein wird."
Emmanuel Tjeknavorian mit Geige und Dirigenten-Stab
Seit seinem fünften Lebensjahr spielt Emmanuel Tjeknavorian auf der Geige, allerdings will der gebürtige Wiener künftig den Bogen vermehrt gegen den Taktstock tauschen: "Ich bin sehr froh, dass ich dann eine wirklich beglückende Laufbahn als Violinist gemacht habe und diese noch habe. Dennoch, die Gefühle in mir für das Dirigieren sind viel zu stark, um diese zu ignorieren. Insofern werde ich ab der Saison 2022/23 mich sehr auf das Dirigieren fokussieren und nur in Ausnahmefällen als Violinist erscheinen." Und so wird Emmanuel Tjeknavorian in den kommenden Wochen vor allem als Violinist in Mecklenburg-Vorpommern zu erleben sein.
"Natürlich ehrt es uns und freut uns, dass er bei uns den letzten Sommer voll an der Geige genießt und er auch seinen Cut in seiner Karriere auch ein bisschen für uns aufgeschoben hat, um diesen Sommer noch voll mitzumachen. Umso spannender ihn sowohl an der Geige als auch mit dem Dirigierstab erleben zu können. Ich bin mir sicher, dass auch die Dirigierkarriere ähnlich großartig verlaufen wird wie seine geigerische Karriere bislang", sagt Ursula Haselböck, über den Preisträger dieses Festspielsommers.
Mozarts Originalgeige gastiert bei Festspielen
Die Intendantin freut sich besonders darüber, dass erstmals in MV die Originalgeige von Wolfgang Amadeus Mozart zu hören sein wird - Mitte Juli in Ulrichshusen: "So eine Geige reist nicht alleine, und es war das Erste schon einmal, sie aus Österreich überhaupt herauszubekommen, weil es natürlich ein nationaler Kunstschatz ist und die österreichische Seele da ja auch mit dieser Geige ein wenig mitreist. Diese Geige wird ständig begleitet von zwei Personen von der Stiftung Mozarteum Salzburg, die sie nicht aus den Augen lassen. Diese zwei Personen sind aber Fachmänner und Fachfrauen, was diese Geige angeht, und werden an diesem Wochenende in Ulrichshusen rund um den Mythos Mozart Geige natürlich auch das eine oder andere Geheimnis um die Mozart Geige entlüften."
Es war ein Herzenswunsch von Emmanuel Tjeknavorian, diese Geige aus seiner Heimat Österreich mit nach Norddeutschland zu bringen: "Die Geige ist einfach auch fantastisch. Ich kann mir das nur so erklären, Mozart, der ja ein Genie war, hätte sich ja niemals eine schlechte Geige genommen. Insofern hat er sich ein wunderbares Instrument in Wien ausgesucht, die auch zu seiner Musik gepasst und zu seinem Spielstil gepasst hat. Seine Musik auf diesem Instrument zu spielen - was Schöneres kann man sich als Geiger nicht vorstellen."
BBC Symphony Orchestra und Kit Armstrong: Große Namen im Festspiel-Programm
Neben dem Preisträger dieses Festspielsommers, Emmanuel Tjeknavorian, freut sich Intendantin Ursula Haselböck auf viele bekannte, aber auch neue Musikerinnen und Musiker, die in den nächsten drei Monaten nach Mecklenburg-Vorpommern kommen: "Patricia Kopatchinskaja ist zu Gast, Kit Armstrong, Harriet Krijgh, die wunderbaren Jussen-Brüder. Aber einen besonderen Schwerpunkt setzen wir in diesem Jahr auch im nicht ganz so klassischen Bereich. Und da freue ich mich persönlich ganz besonders auf Max Herre mit 'MIKIs Takeover! Ensemble' in Schwerin und Torgelow. Max Mutzke wird mit der SWR Big Band zu Gast sein, Hauschka, der Klangkünstler am Klavier, wird in Greifswald spielen."
"Das BBC Symphony Orchestra sollte 2020 ja schon zu den Festspielen kommen", so Haselböck, "warum, wissen wir ja lalle. Ich freue mich sehr, dass sie jetzt ihre Premiere bei den Festspielen feiern mit einem auch durchwegs englischen Programm und dem großartigen Daniel Müller-Schott, unserem Festspielpreisträger am Cello." Das BBC Symphony Orchestra wird Anfang Juli im Landgestüt Redefin Dvoraks 9. Sinfonie aufführen.
Eine künstlerische Festspiel-Familie
Ein besonderer Höhepunkt der diesjährigen Festspiele dürfte das Wochenende im Juli in Ulrichshusen sein - das unter dem Motto "Im Walde" steht: "Wir bringen Musik in den Wald. Es wird Waldführungen geben. Wir gehen zum Morgengrauen, zum Sonnenaufgang in den Wald, um die Natur beim Erwachen zu erleben. Das ist ja auch reine Musik, aber wir bringen auch die Natur und den Wald in den Konzertsaal. Und hier haben wir Patricia Kopatchinskaja gewinnen können, das Programm mit uns zu kuratieren und das werden wirklich sehr spannende Konzerte. Patricia Kopatchinskaja beschäftigt sich auch sehr mit dem Niedergang der Natur und mit dem Wald, der vielleicht bald nicht mehr so da sein wird, wie wir ihn brauchen."
Ob im Schloss Hasenwinkel, im Kloster Rühn, im Theater Stralsund oder im Park von Schloss Bothmer - Emmanuel Tjeknavorian ist in diesem Sommer bei insgesamt 24 Festspiel-Konzerten zu erleben: "Ich mag, dass es in Mecklenburg-Vorpommern sehr herzlich zugeht. Wenn man dort ist, ist der Kontakt zum Team, zur Intendanz ein sehr netter, ein sehr kollegialer und freundlicher. Ich habe das Gefühl, man wird selbst als junger Künstler genauso behandelt wie ein arrivierter Altstar. Es ist überhaupt diese ganze Atmosphäre. Man fühlt sich einfach wohl, und wenn man sich wohlfühlt, dann kommen auch die besten künstlerischen Ergebnisse. Man geht mit dem Wort Familie so salopp um - aber die Festspiele sind für mich eine künstlerische Familie."
Nach dem Auftakt in Neubrandenburg mit der NDR Radiophilharmonie wird auch die NDR Bigband gemeinsam mit dem Jazzpianisten Omar Sosa Ende August in der Klosteranlage Dargun gastieren. Und zum Abschluss des Festspielsommers 2022 gibt es dann Mitte September ein Konzert mit dem NDR Elbphilharmonieorchester in der Wismarer St.-Georgen-Kirche.