SoundColours: Wenn aus Musik Malerei entsteht
Musik und Kunst in einer Aufführung in der Kulturwerft Gollan. Die Kammerphilharmonie Lübeck spielt klassische Stücke und zwei japanische Malerinnen bringen die Musik und ihre Gefühle zu Papier.
In ganz unterschiedlichen Farben erstrahlten am Dienstag- und Mittwochabend der Innenraum der Kulturwerft Gollan. Lichtprojektionen veränderten ihn, passend zur Musik. Debussy tauchte den Raum in ein ruhiges blau oder gelb. Als die Kammerphilharmonie Lübeck den "Feuervogel" von Igor Stravinsky spielte, wurde das Licht plötzlich gefährlich rot. Genau auf diese musikalischen Veränderungen haben auch die beiden japanischen Künstlerinnen Misaki Ouchi und Yuka Shinozaki geachtet.
"Es ist fast so, als wäre der Beginn die Musik. Dieser Moment, bevor das Bild entsteht - aus diesem Moment heraus entsteht das Bild. Fast so, als wenn man vor einem Stück anfängt. Man hat diese Stille und aus dieser Stille entsteht die Musik", erklärt Yuka Shinozaki ihre Vorgehensweise.
Während die Kammerphilharmonie Lübeck Werke von Debussy, Stravinsky und Mahler spielt, malen auf einer anderen Bühne neben dem Publikum die beiden japanischen Künstlerinnen. Misaki Ouchi zeichnet mit den Händen, verschiedenen Pinseln, einem Besen und sogar einem Fächer.
Misaki Ouchi ist nach dem Konzert selbst überrascht vom Resultat auf dem Papier: "Es ist jedes Mal eine Überraschung, was passiert. Man ist so vertieft in dieses Live-Painting, dass man selber gar nicht weiß, welches Bild am Ende entstehen wird. Am Schluss ist plötzlich das Bild da. Das überrascht dann auch mich selbst."
Auch Besucherinnen malen zur Musik
"SoundColours" nennt sich das Projekt - es lässt die Klangfarben des Orchesters, die Kunst auf der Leinwand und das Publikum miteinander verschmelzen. Denn auch die Gäste können während der Aufführung malen und sich von der Musik inspirieren lassen. Dazu gibt es am Anfang für jeden einen Zettel und Stifte. Für die Elftklässlerin Paulina ein tolles Erlebnis: "Ich denke, da waren einfach die höheren Töne etwas dünner und die niedrigen etwas dicker. Mir hat es sehr gefallen, ich war sehr emotional. Ich war sehr ruhig, und dann ist in mir irgendwie ein Vulkan ausgebrochen."
Steiner und Shinozaki haben Konzept entwickelt
Entwickelt hat Shinozaki das Aufführungskonzept mit der österreichischen Musikerin Sophie Steiner. Sie erklärt, worauf es ankommt: "Einerseits sind es natürlich die Farben selbst, die man wählt, passend zu den Stimmungen. Es hat aber auch viel mit Bewegung zu tun, in welcher Geschwindigkeit male ich, in welcher Art und Weise kann ich diese Dynamiken, diese Agogik von einem Orchesterstück wirklich in Malerei umwandeln. Es geht viel um Bewegung, natürlich auch um die Farben selbst, die man wählt und auch in welcher Art ich zeichne, welchen Pinsel ich verwende."
Dirigent Dantscher: Menschen an klassische Musik heranführen
Für den Dirigenten und musikalischen Leiter der Kammerphilharmonie Lübeck, Emanuel Dantscher, könnte diese Aufführungsform, Musik mit der Malerei zu verbinden, Menschen an klassische Musik heranführen. "Dass es vielleicht Leute gibt, für die klassische Musik neu ist. Die finden durch so ein Element mit den Farben und der Malerei für sich einen Zugang. Beim nächsten Mal sagen sie vielleicht, ich habe das hier gehört, ich habe das erfahren, es war toll. Wenn die das nächste Mal ins Konzert gehen und sie hören das vielleicht ohne Live-Painting, dann entsteht vor ihren eigenen Augen trotzdem eine Welt", hofft Dantscher.
Musik inspiriert Farbenspiel des Live-Painting
Eine Vorgabe, wie das Publikum und auch die ausgebildeten Malerinnen zu der Musik malen, gibt es nicht, erklärt Sophie Steiner - man muss sich einfach leiten lassen. "Wenn zum Beispiel ein Crescendo vom Orchester gespielt und der Höhepunkt erreicht wird, dann kann man diesen ganz großen Pinsel einmal über die komplette Leinwand tanzen sehen. Es ist dieses Tanzen, das Farbenspiel, das von der Musik in das Live-Painting kommt und wo wir durch die Bewegung, durch diesen starken Ausdruck der Farben die Musik noch einmal sehen können", so Steiner.