Musiker in der Corona-Zeit: Klarinettistin Sharon Kam
Die Corona-Pandemie hat den Alltag vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Für Musikerinnen und Musiker gilt das besonders, weil ihr Alltag sich oft von Grund auf geändert hat. Wie geht es ihnen damit? NDR Kultur hat mit Sharon Kam gesprochen: Die Klarinettistin möchte so schnell wie möglich wieder auftreten.

Um den Stress der Corona-Zwangspause zu mildern, hat die Musikerin Sharon Kam ihre Tricks entwickelt: "Ich trinke einen Kaffee, rede mit jemandem, den ich liebe. Ich gehe raus, bevor ich in ein tiefes Loch falle. Oder höre irgendwelche Musik, weine mit!" Es sei die Hauptsache, nicht zu vergessen, dass man noch lebt, erzählt sie.
Kam erlebt die Wochen der Corona-Pandemie von Anbeginn als Strafe: So viele schöne Konzerte wären zu spielen gewesen, die neue CD hätte sie vorgestellt. Alles hat das Corona-Virus verhindert. Ebenso wie Begegnungen mit Menschen, die ihr wichtig sind. "Ich bin ein Menschenmensch. Für mich ist es sehr schwierig, privat und beruflich, nicht mit meinen Kollegen Kammermusik spielen zu können. Nicht von ihnen zu lernen, nicht Zeit mit ihnen zu verbringen."
Tagesablauf mit dem elfjährigen Kind planen
Zu Hause in Hannover ist Sharon Kam als Mutter gefragt. Sich zu kümmern - das trägt sowohl sie als auch ihren Mann in dieser Zeit. Die beiden haben eine elfjährige Tochter, die zu Hause ist. "Ihretwegen muss man einen Tagesablauf haben, sonst dreht ein Kind durch. Ich übe jeden Tag morgens mindestens eine Stunde und nachmittags und abends auch weiter und bereite das, was geblieben ist, ein bisschen vor."
Gleich morgens beim Frühstück greift Sharon Kam zum Telefon, um Kontakt zu anderen Familienmitgliedern zu halten. "Ich rufe meine Mutter jeden Morgen an. Die Mutter meines Mannes rufen wir jeden Tag einmal an, um zu sehen, dass unsere Lieben noch gesund sind." Außerdem habe sie zwei weitere Kinder in Berlin und Wien, denen gehe es unterschiedlich gut. "Da möchte ich als Mama gucken, dass es alle nicht zu tief trifft, dass sie ihre Arbeit erledigen und den Mut finden, weiter zu leben und nicht in ein tiefes Loch zu fallen."
Sharon Kam ist international gefragte Solistin
Als Klarinettistin ist Sharon Kam eine international gefragte Solistin. Ihr Mann, der Dirigent Gregor Bühl, ist ebenfalls freiberuflich tätig. Die Zwangspause durch die Corona-Pandemie bringt Einbußen beim Familieneinkommen mit sich. "Wir haben immer gespart. Wir sind jetzt entweder bestraft oder beglückt dadurch. Wir müssen jetzt natürlich an unsere Vorräte ran."
Auch deshalb muss es nach Meinung von Kam unbedingt Lockerungen geben für das Musikleben. "Lasst uns spielen!", fordert sie: "Wir stellen täglich fest, wie viele andere Berufsgruppen, vom Steuerberater bis zur Agentur, Instrumentenbauern und -herstellern bis hin zu Konzertveranstaltern, von uns finanziell abhängig sind." So viele Leute hingen mit dem Konzertbetrieb zusammen.
Neue Konzepte für Live-Konzerte werden gebraucht
Deshalb telefoniert die 48-Jährige viel, um mit anderen Konzepte zu entwickeln - für das, was jetzt oder eben bald an Live-Konzerten gehen könnte. Sharon Kam versucht, ihr Spitzenniveau zu halten. Bei Laune zu bleiben. Das wird aber für sie nicht ewig möglich sein, bekennt die Musikerin. "Es muss spätestens im September mindestens mit Kammermusik halbwegs Normalität einziehen. Wenn wir Konzerte zwei Mal spielen müssen, weil unser Publikum halbiert ist - egal! Aber es müssen Konzerte stattfinden, und zwar in jeder Stadt. Sonst weiß ich nicht weiter."
