Wie sehen digitale Konzerte der Zukunft aus?
Wie müssen Aufführungen klassischer Musik im Stream beschaffen sein, damit sie ein großes Publikum begeistern? Das untersucht jetzt das Forschungsprojekt "Digital Concert Experience".
Ein Kammerkonzert im großen Saal des Radialsystems in Berlin: fünf Streicher vorn auf einem Podest, das Publikum mit großem Abstand zu ihnen im Saal. Im Internet-Stream dagegen kommt man den Musizierenden ganz nah.
Das Problem des digitalen Raumes sei jedoch, dass sich bisher nur über Emojis oder die Kommentarfunktion erahnen lasse, was die Zuhörer empfinden, sagt Konzertveranstalter Folkert Uhde: "Das Interessante an der Digitalität ist, dass man natürlich mit anderen Formen arbeiten kann." Man könne zum Beispiel mit interaktiven Feedback-Tools arbeiten, so dass man auch in einem digitalen Raum die Möglichkeit habe, so etwas wie eine Spannung entstehen zu lassen.
Internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Folkert Uhde lotet als Kulturmanager und Konzertdesigner aus, welche Möglichkeiten die digitale Technik in der Kultur bietet. Daneben bilden Experten und Expertinnen aus Disziplinen wie der Musikwissenschaft, der Kultursoziologie und Psychologie aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien das Forschungs-Team.
Mit dem interdisziplinären Ansatz wollen sie sich an ein Feld herantasten, das noch wenig erforscht ist, sagt Martin Tröndle, Kulturwissenschaftler von der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Er ist Leiter des Forschungsprojekts: "Es gibt im Bezug zur klassischen Musik noch wenig Studien. Deshalb haben wir unsere Studie zweigeteilt. Es gibt eine breit angelegte Vorbefragung, wo wir überhaupt das Nutzerverhalten untersuchen wollen, also - wie oft wer mit welchem Hintergrund aus welcher Motivation solche Angebote wahrnimmt. Aus dieser Vorbefragung suchen wir dann zufällig für einzelne Experimente Personen aus und teilen die zu," so Tröndle.
Tests mit bis zu 5.000 Probanden geplant
Ist es die VR-Brille, der Austausch mit anderen Streaming-Teilnehmern oder die Moderation einer Darbietung, die das Publikum ein klassisches Konzert intensiver erleben lässt? Das soll mit bis zu 5.000 Probanden getestet werden. Vor dem digitalen Konzertbesuch werden sie mit Sensoren ausgestattet.
Etwa, um die Unterschiede zwischen einem Konzert im Livestream und in On-Demand-Formaten zu analysieren, die jede und jeder für sich allein schaut, sagt die Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt: "Bei einigen Pilotstudien sieht man schon, dass die physiologischen Reaktionen der Menschen die Neigung haben, sich zu synchronisieren. Unsere Vermutung ist sehr stark, dass so eine physiologische Synchronisierung zu so etwas führt wie einem Gemeinschaftserleben, also einer fühlbaren Zusammengehörigkeit."
Wie stark diese Gefühle bei klassischen Konzerten tatsächlich sind, wird das Forschungsprojekt "Digital Concert Experience" analysieren. Eine wichtige Fragestellung - gerade auch in Zeiten der Corona-Pandemie.
